Wochenendausgabe, 16. August 2008 | Ostseebäder
Essensaal der Spaties wird versteigert
Ein geschichtsträchtiger Plattenbau soll einen neuen Eigentümer bekommen. In dem wurden einst die Bausoldaten, die den Hafen mitgebaut haben, versorgt.
Prora/Neu Mukran Wenn Ende September der Auktionator in Rostock Objekt Nummer 18 aufruft, dann geschieht vordergründig nicht viel mehr, als das für einen Plattenbau ein neuer Eigentümer gesucht wird. Die Gaststätte namens „Rüganer“ am Ortseingang von Neu Mukran ist eine von 70 Immobilien, die von der Norddeutschen Grundstücksauktionen AG versteigert wird. Mindestgebot 235 000 Euro für einen schlichten einstöckigen Bau samt Grundstück.
Für Stefan Wolter ist der vielmehr ein „geschichtsträchtiges Objekt“, das in Rostock unter den Hammer kommt. Ist es doch Teil seiner Geschichte. Der 1967 in Eisenach Geborene war in den Jahren 1986 bis 1988 als Bausoldat in Prora. Als solcher beim Bau des Fährhafens eingesetzt. „Und in dem Plattenbau, der heute eine Gaststätte ist, sind seinerzeit die Bausoldaten verpflegt worden“, kann er sich erinnern. Nicht nur irgendwie, sondern ganz genau.
Denn er hatte auch das zweifelhafte Vergnügen, dort auch die Nächte zu verbringen. „Ich musste auf ein Telefon aufpassen. Mit dem sollte Verbindung nach Prora bestehen. Eigentlich, denn es hat fast nie funktioniert. Aber wir waren ja beim Militär, und wenn Telefondienst befohlen ist, dann ist eben auch Telefondienst“, sagt Wolter, der Geschichte und Theologie studiert und seine Erlebnisse in Prora in dem Buch „Hinterm Horizont allein – Der Prinz von Prora“ festgehalten hat.
Seinen Worten zufolge hätten mit der Zeit aber nicht nur die Spaties, wie sich die Bausoldaten nannten, dort mit ihrem Essbesteck geklappert: „Es sind dort auch Lehrgänge für jene abgehalten worden, die als Anschläger im Fährhafen arbeiten sollten und schließlich, so Mitte 1987, sind dort auch die zivilen Bauarbeiter versorgt worden.“ Nach der Wende hat Peter Weitkamp die Regie in dem Plattenbau übernommen. „1992 war das Fall“, erinnert sich einer, der auf der Insel kein Unbekannter ist. Schließlich hat er auch im Koloss von Rügen die M 3-Diskothek aufgebaut. Warum er die Gaststätte loswerden will? „Aus Altersgründen. Ich bin jetzt 66, und irgendwann ist auch mal gut“, sagt Weitkamp, der sich komplett zur Ruhe setzen will: „Wenn Sie einen Käufer für die Diskothek und das ,Rustika’ in Bergen haben, dann nennen Sie mir ihn“, unterstreicht er seinen Willen.
Der Plattenbau bei Neu Mukran ist übrigens nicht die einzige Immobilie an der rügenschen Bäderküste, für die im September ein neuer Eigentümer gesucht wird. So lässt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben auch noch zwei unbebaute Grundstücke (etwa 9100 und 600 Quadratmeter groß) in Gager versteigern.
CHRIS-MARCO HEROLD
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