29.8.2007
Sehr geehrter Herr Bemmann,
in der Anlage sende ich Ihnen den ersten Entwurf meiner Erinnerung zur weiteren Verwendung im virtuellen Museum. Natürlich können Sie stilistische und grammatikalische Änderungen vornehmen. Nur bei inhaltlichen Änderungen oder Änderungen, die meine Darlegungungen in ihrer Aussage verändern, bitte ich um vorherige Rücksprache.
Ich möchte Ihnen und allen ehemaligen Angehörigen des PiBB Mukran und der BE 2 gegenüber hervorheben, daß ich ehrlichen Herzens auf Grund meiner Erfahrungen und Erziehung diesen Berufsweg beschritten habe und in jedem Fall für mein Handeln und meine Entscheidungen auch heute noch voll einstehe.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Kühne
Anlage:
Dienst mit Bausoldaten Nach dem Abitur und der Facharbeiterausbildung wurde ich Berufssoldat. Ausgehend von der Erziehung im Elternhaus, in der Schule und auf der Grundlage meiner bis dahin 18jährigen Lebenserfahrung war das für mich ein logischer Schluss. Drei Jahre Offiziersausbildung und sieben weitere in den unterschiedlichsten Dienststellungen und an verschiedenen Standorten folgten. 1978 wurden dann Vorgesetzte für eine Kompanie innerhalb einer neu aufzustellenden Pionierbaueinheit gesucht. Für meinen damaligen Regimentskommandeur eine leichte Sache. „Du bist ledig. Fragst nicht nach Wohnung oder Arbeitsstelle für deine Frau – also benimm dich und wir machen Dir ein ordentliches Abschiedsgeschenk.“ Das war seine Kaderaussprache mit mir im Treppenhaus des Stabsgebäudes. So kam ich nach Prenzlau in die „Rote Kaserne“ (heute Gymnasium). Von dort ging es auf die unterschiedlichsten Baustellen in der Republik. Der Mannschaftsbestand setzte sich aus Reservisten zusammen. Überwiegend Bauarbeiter – keine leichte Sache, da unter Baustellenbedingungen ein militärisches Leben zu organisieren. Ende des Jahres 1981 wurde uns eine neue Aufgabe gestellt: In Prora auf der Insel Rügen sollte ein Teil des Bataillons stationiert werden und beim Bau eines neuen Hafens zum Einsatz kommen. Die Begeisterung bei den Berufssoldaten hielt sich in sehr engen Grenzen. Hatten die meisten von ihnen doch inzwischen nach recht langem Warten eine Wohnung bekommen, sich eingelebt und führten wieder ein fast normales Familienleben. So kam es, dass nur sehr wenige aus dem Stab nach Prora übersiedelten. Die nicht besetzten Planstellen wurden mit zukommandierten Berufssoldaten besetzt. Jedes halbe Jahr neue Gesichter. Hinzu kam, dass in der Öffentlichkeit nichts vom künftigen Hafen verbreitet wurde. Das letzte frei zugängliche und zum Baden nutzbare Stück Strand zwischen Binz und Sassnitz wurde von der Armee „besetzt“, Gräben gezogen und Bäume gefällt. Freundliche Gesichter waren da selten zu sehen. Der Bedarf an Arbeitskräften seitens des „Kombinates für Industrie- und Hafenbau“ in Greifswald stieg und so kam man im Ministerium für Nationale Verteidigung (Strausberg bei Berlin) zu dem Schluss, dass der konzentrierte Einsatz von Bausoldaten in Verbindung mit „normalen“ Soldaten im Grundwehrdienst (technische Sicherstellung und Wachdienst) die beste Lösung sei. In einigen Dienstbesprechungen und Schulungen wurden wir auf die neue Situation vorbereitet. Die Bausoldaten seien als „potentielle Staatsfeinde“ zu betrachten und zu behandeln, ihr ruhiger Dienst in Ferieneinrichtungen sei nun entgültig vorbei und ähnliche Richtlinien wurden erteilt. Es gab aber auch andere „konkrete“ Weisungen seitens meiner Vorgesetzten. Ich war inzwischen als verantwortlicher Offizier für die kulturelle und sportliche Betreuung und die allgemeine Freizeitgestaltung verantwortlich. Also schrieb ich mir aus den Weisungen meines Vorgesetzten in mein Aufzeichnungsheft für vertrauliche Verschlusssachen: „Die Bausoldaten sind bei allen kulturellen und sportlichen Maßnahmen vom übrigen Personalbestand zu trennen. Bei Kinoveranstaltungen sind getrennte Sitzreihen für die Angehörigen des Pionierbaubataillons und der Baueinheit 2 festzulegen. Ein Vorgesetzter der Baueinheit hat diese Festlegung bei jeder Filmvorführung durchzusetzen. Es sind getrennte Nutzungszeiten für die Truppenbibliothek fest- und durchzusetzen. ….“ Leider gab es keine praktikablen Hinweise, wie man solche Festlegungen auch tatsächlich realisieren könnte. So waren wir alle wohl sehr gespannt auf das, was da so auf uns zu kommen sollte. Und – wir wurden bitter enttäuscht. Das begann schon bei der ersten Einberufung zum Grundwehrdienst. Mit dem Zug kamen junge und schon etwas ältere Männer nach Prora, die nicht angetrunken waren, überwiegend bereits einen kurzen Haarschnitt trugen und ausgesprochen höflich auftraten. Da einige der Einberufenen Schwierigkeiten bei der Auswahl des Zielbahnhofs hatten, wurde auch in Binz ein Lkw mit einem Vorgesetzten postiert. Er hatte die Aufgabe, die „über das Ziel Hinausgeschossenen“ einzusammeln und nach Prora zu bringen. Nach dem Umsteigen in Lietzow konnte man nur entweder in Prora-Ost oder im Ostseebad Binz den Zug wieder verlassen. (Über die Entstehung des Umsteigebahnhofes in Lietzow kursiert die nachfolgende, kurze Legende: Als in Prora die ersten Einheiten der „Kasernierten Volkspolizei“ (KVP) stationiert wurden, gab es immer wieder Schwierigkeiten bei der Rückkehr der Urlauber. Sie konnten den Zug von Stralsund nach Sassnitz nutzen, kamen dann aber nur unter Schwierigkeiten nach Prora. So befahl ein Oberst Pilz, einen Panzer vom Typ T-34 auf die Gleise der Bahn bei Lietzow zu stellen und die Strecke erst nach Zusicherung einer künftig dauerhaften bahnmäßigen Anbindung bis Binz wieder freizugeben. Der Befehl soll so durchgesetzt worden sein.) In der Kaserne ging es dann in die Sporthalle. Dort wurden die persönlichen Daten erfasst, Personalausweis und Einberufungsbefehl eingesammelt und die Zuteilung in die jeweilige Einheit vorgenommen. Die Aufteilung in Gruppe – Zug – Kompanie hat wohl bei einigen der Bausoldaten zum Gefühl der „Nummerierung“ geführt. Vor der Sporthalle wurden sie dann entsprechend der Zuteilung in kleinen Gruppen zusammengefasst und in die einzelnen Kompaniebereiche geführt. Da nicht alle gleichzeitig eintrafen und nicht mit jedem Einzelnen der Weg durch das Treppenhaus zurückgelegt werden mußte, hat hier wohl der eine oder andere auch schon das Warten üben müssen. Wie dann die langen Flure auf den Einzelnen wirken mussten kann jeder der Prora kennt ganz bestimmt nachvollziehen. Von der Kompanie ging es dann zur Ausgabe der Bekleidung und Ausrüstung. Auch hier natürlich wieder warten, bis der Letzte einigermaßen passende Sachen erhalten hatte. Die Grundausbildung beschränkte sich auf allgemeines Exerzieren, Sport (militärische Körperertüchtigung), Schutz(ABC-)ausbildung und politische Information. Bei der zuletzt genannten standen Themen über politische Grundfragen, zum Status der Bausoldaten und zum Kennenlernen des Kreises Rügen auf der Tagesordnung. Die politische Information fand in der Regel im Regimentsklub („Holzoper“) statt und das Interesse war wie zu erwarten eher mäßiger Natur. In dieser Zeit oblag es meinen Nachgeordneten einigermaßen brauchbare Passfotos für die Wehrdienstausweise zu „produzieren“. Ihre Qualität war entsprechend den Bedingungen und ich entschuldige mich im Nachhinein auch im Namen meiner damaligen Unterstellten für so manches „Spaßfoto“. Für mich waren die persönlichen Gespräche mit den noch unbekannten Wehrdienstlern wesentlich interessanter. Außer den bereits erwähnten Schulungen und Einweisungen hatten wir ja keine Möglichkeit einer echten Vorbereitung auf das Kommende. Ich hatte mir zwar in der Bergener evangelischen Buchhandlung eine Bibel gekauft und das „Theologische Lexikon“ bestellt, doch als eine vollwertige Vorbereitung konnte ich das auch nicht empfinden. Mir ist aber auf jeden Fall noch der Blick des Buchhändlers in Erinnerung, als ein Hauptmann der NVA in Dienstuniform den Laden betrat und beides verlangte. Mit der Einberufung der Bausoldaten war auch etwas anderes Neues in Kraft getreten. Die bisherigen Teile des PiBB-32 (Prenzlau) wurden zum selbständigen PiBB Mukran mit angeschlossener BE-2 umgewandelt. Damit verbunden waren Zuversetzungen aus Prenzlau und anderen Truppenteilen. Für mich bestand eine der Hauptaufgaben in der Sicherstellung und Organisation des kulturellen / sportlichen Lebens sowie der Aufbau einer Bibliothek, der Sicherstellung der Versorgung mit Presseerzeugnissen… Klingt aus heutiger Sicht einfach, war es damals allerdings nicht. Um dies zu verstehen muss man wissen, dass für jede militärische Einheit eine strukturelle Ausrüstungsnorm (STAN) festgelegt und diese zwei Jahre im Voraus zu planen war. Nun war allerdings per Befehl ein ganz neues Bataillon von Heute auf Morgen entstanden. Darüber hinaus war in den Normen keine Baueinheit mit ihren Besonderheiten vorgesehen. So mussten die Verantwortlichen im Militärbezirk Neubrandenburg beharrlich darüber „aufgeklärt“ werden, dass in keiner der vier Baukompanien ein Bedarf an Luftdruck- oder anderen Waffen bestand, Fußbälle, Tischtennisplatten und andere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung aber sofort benötigt wurden. Auch bei der Post hatte ich Überzeugungsarbeit zu leisten, um den Bedarf an Tageszeitungen und Illustrierte im notwendigen Umfang zu beschaffen. In den Bestelllisten waren zwar die „NBI“ („Neue Berliner Illustrierte“), „Wochenpost“ und der „Eulenspiegel“ aufgeführt, man erhielt sie allerdings erst, wenn ein Leser sein Abo kündigte. Das wäre in einem Fall noch hilfreich. Doch wie stand es bei insgesamt sechs Kompanien, einem Stab und dann noch einer künftigen Truppenbibliothek? Viele von den dringend benötigten Dingen hätte man auch kaufen können. Dazu standen mir nicht unbedeutende finanzielle Mittel zur Verfügung. Wären hier nicht auch einschränkende Bestimmungen in Kraft gewesen. Die Ausgaben erfolgten in der Regel mit Hilfe von LVO- Formularen (Lieferverordnung für die Sicherstellung der Landesverteidigung). Diese mussten im Einzelhandel erst einmal anerkannt werden und wenn dies geschah, durfte ich nichts aus dem Kontingent des Bevölkerungsbedarfes kaufen. Um das verständlicher darzustellen: Fußbälle konnten nicht gekauft werden (Erstens waren sie Bevölkerungsbedarf und zweitens wurden sie laut Planung alle zwei Jahre neu zugeführt), doch Fußballhüllen und –blasen konnten als Ersatzteile beschafft werden. So entstand im Interesse meiner Aufgabenerfüllung ein intensiver Austausch mit der MHO (Militärische Handelsorganisation) in der Kaserne und mit Einzelhandelseinrichtungen (überwiegend in privater Hand) auf der Insel. Ich kaufte also ein und danach wurde festgelegt, was auf der Rechnung zu erscheinen hatte oder was einen anderen Namen bekommen musste. Mein neuer Vorgesetzter hatte neben vielen Vorteilen einen sehr großen Nachteil: Er versprach allen Alles. Wie ich das dann umsetzte, war natürlich mein Problem und ich habe ihm nie verraten, wie es mir (meistens) gelang. Bei einem Nichtgelingen habe ich allerdings auch einiges einstecken müssen. Immer nach dem überlieferten Motto „Der Sieg hat viele Väter, die Niederlage ist im schlechtestem Fall Halbwaise“. Das alles interessierte natürlich die Baukompanien und deren Angehörige wenig. Für sie (und mich) war wichtig, dass in der Freizeit Fußball gespielt werden konnte, immer ausreichende Tischtennisbälle zur Verfügung standen und auch die Bücher in der Bibliothek dem allgemeinen Leseinteresse entsprachen. „Nebenbei“ wurden auch Theaterbesuche in Putbus und Konzertbesuche im HdA (Haus der Armee) der MTS (Militärtechnische Unteroffiziersschule) Prora organisiert. Letzteres war noch einfach zu gewährleisten. Nach Putbus wurde allerdings eine Transportmöglichkeit benötigt. Der Kleinbus des Bataillons (LO 1800) wurde selten freigegeben und so wurden die interessierten Angehörigen des Bataillons meistens auf der Ladefläche eines Lkw’s (W-50) zum Theater und zurück befördert. Die Aufgaben auf der Baustelle und deren technischen Sicherstellung gingen stets vor! Das entsprach zwar nicht meinen Vorstellungen von einem „Vor-„ und „Nachspiel“ für einen Theaterbesuch (besonders nicht in den unangenehmen Jahreszeiten Frühling, Herbst und Winter), doch anders war die Realisierung einfach nicht möglich. Darüber hinaus musste anfangs auch noch stets ein möglichst an den der jeweiligen Aufführung interessierter Vorgesetzter gefunden werden, der auch bereit war, sich den „Hut für das ganze Unternehmen aufzusetzen“. Das Geschehen auf der Baustelle konnte ich stets hautnah verfolgen. Der Kommandeur des Truppenteiles hatte die „Baustellenkontrolle“ für die Vorgesetzten der Kompanien und des Stabes befohlen. So „wanderte“ ich nicht nur einmal von Prora entlang des Strandes nach Mukran und überzeugte mich dort vom Entstehen eines neuen Hafens. Im günstigsten Fall stand mir auch ein „Trabant“- Kübel oder eine Mitfahrgelegenheit auf / ihn einem Versorgungsfahrzeug zur Verfügung. Angefangen von dem am Ortseingang von Mukran gebauten NVA- Versorger (heute private Gaststätte) bis hin zu dem in Wostewitz habe ich so alle Heizwerke und anderen Einsatzorte der Bausoldaten kennen gelernt. Sicherlich habe ich auch so manches Mal die in anderen Veröffentlichungen beschriebenen „Alarmeinrichtungen“ ausgelöst. Verschlafene Gesichter, Bücher oder auch Radios waren ebenso unübersehbar wie die nicht erlaubten Kochmöglichkeiten. Auch bei diesen „Besuchen“ konnte ich viel von den mir unbekannten Denkweisen, Weltanschauungen und Sichtweisen erfahren. Die interessantesten Gespräche führte ich allerdings während meiner 24- Stunden- Dienste als Offizier vom Dienst (OvD). Dieser Offizier organisierte und gewährleistete den allgemeinen Ablauf im Bataillon während der Abwesenheit des Kommandeurs (nach Dienstschluß bis zum Stabsdienstbeginn). Bei diesen „Spaziergängen“ durch die Unterkunftsräume und Gemeinschaftseinrichtungen (Klub- und Fernsehraum) der Einheiten traf man ja immer auf Gesprächspartner. Viele sind mir (leider nicht namentlich) in Erinnerung. So ein Bausoldat, der in Quedlinburg eine Gemeinde betreute, der „legendäre“ Bauchredner unserer letzten Kulturgruppe oder der talentierte Musiker mit der stets äußerst mangelhaften Anzugsordnung. Es gab natürlich auch Bausoldaten denen man schon beim ersten Wortwechsel anmerkte, dass sie absolut kein Interesse an einem Gedankenaustausch hatten. Zum Glück hatte ich diesen Eindruck seltener als anregende Gespräche. So lernte ich die unterschiedlichsten Glaubensrichtungen, gesellschaftlichen Ansichten, Schwierigkeiten in den verschiedensten Regionen der Republik ebenso wie ganz persönliche Probleme kennen. Bei der Lösung einiger Fragen konnte ich sogar behilflich sein. So mancher Bausoldat hat natürlich auch ordentlich seine Möglichkeiten für die Wahrnehmung ganz persönlicher Vorteile genutzt. So zum Beispiel ein gelernter Tischler, dessen Vater eine private Schreinerei betrieb. Für die Gestaltung des Traditionszimmers wurden Vitrinen und anderes Holzmaterial benötigt. Er erhielt Urlaub, um diese im väterlichen Betrieb herzustellen. Das Material wurde natürlich über die bereits genannten LVO- Aufträge bezahlt. Er widersprach mir allerdings nicht, als ich nach seiner Rückkehr den Urlaub und nicht die Arbeit für die mehrmaligen Verlängerungen seiner Abwesenheit als Ursache erwähnte. Oder aber den Rundfunkmechaniker, der in eigener Werkstatt Lautsprecher baute, den Bausoldaten der aus der Lausitzer Gegend bei seinen häufigen Urlauben Glasartikel mitbrachte… Die intensivsten Kontakte hatte ich allerdings mit den Angehörigen unserer Kulturgruppe. Einmal im Jahr fanden in Verantwortung des Politorgans für die dem Ministerium für Nationale Verteidigung direkt unterstellten Einheiten und Einrichtungen kulturelle Leistungsvergleiche statt. An ihnen beteiligte sich natürlich auch unser Truppenteil. Zu diesem Zweck wurden durch die einzelnen Einheiten Kulturprogramme vorbereitet und aufgeführt. Nach der Sichtung wurden dann Angehörige des PiBB und der BE-2 für die Kulturgruppe verpflichtet (befohlen). Die meisten und ansprechensten Mitglieder kamen ehrlich gesagt aus den Baukompanien. Nun war es die Kunst des Spagates, die Verbindung zwischen vorgegebener Thematik, den künstlerischen Fähigkeiten der Akteure und ihrer Bereitschaft zur Mitarbeit zu vollziehen. 1989 gelang es uns am besten und so konnten wir mehr als Anerkennung bei diesem letzten Vergleich gewinnen. Zwar erfuhr ich erst im Nachhinein, dass das einleitende Bläserquartett die „Eurovisionsmelodie“ intonierte, ich musste den Kompromiß des Abganges der Bausoldaten während des Liedes „Wir sind des Friedens Soldaten“ zustimmen – der Erfolg war in Strausberg aber sicher. Peinlich war bei der Auswertung eigentlich nur die Tatsache, dass ausgerechnet ein Bausoldat als „Sachprämie“ eine Langspielplatte mit historischen Militärmärschen erhielt. Während der Proben, der Fahrt und des Aufenthaltes nach / in Strausberg gab es jedoch jede Menge Gelegenheit einander kennen und auch ein wenig verstehen zu lernen. Ein weiterer Berührungspunkt war für mich die Tätigkeit als Beauftragter des „Buch- und Zeitschriftenvertriebes der NVA“. In dieser Eigenschaft verkaufte ich Bücher aus dem allgemeinen Angebot und dem des Militärverlages an Angehörige des Truppenteiles. Da ich mir von den Mitarbeiterinnen der Buchverkaufsstelle in der Offiziersschule (OHS) für ausländische Militärkader „Bruno Winzer“ den Vorankündigungsdienst (VD) des Buchhandels besorgen konnte, war ich in der Lage viele individuelle Buchwünsche zu erfüllen. Leider nicht immer, denn einiges wurde zugeteilt und bei anderen Büchern (z.B. „Gespräche mit meinem Urenkel“ war die Nachfrage viel zu groß). Aus den Jahren 1982 bis 1989 gäbe es noch einiges zu berichten. Es wäre aber wohl nicht von allgemeinem Interesse. Eine Richtigstellung aus den Berichten ehemaliger Bausoldaten der BE-2 muß ich allerdings noch meinen Gedanken hinzufügen. Es hat nie einen Kabelgraben im Interesse des besseren Fernsehempfanges von ARD oder ZDF in der Ortschaft Sagard gegeben. Auch eine besondere Antennenanlage dafür wurde nie installiert. Unbestreitbar ist die Tatsache, dass durch den Kommandeur der BE-2 oder den des PiBB Arbeiten im Interesse der Ortschaft durchgeführt wurden. Auch auf dieser Ebene herrschte das Motto „Hast du was, gibst du was – brauchst du was, kriegst du das“ vor. Arbeitskräfte (Bausoldaten) und Technik waren da und so kam es auch zu einer relativ schnellen Wohnraumversorgung in den Ortschaften Binz , Sagard und Bergen. Ende 1989 wurden Einheiten der BE-2 zum Einsatz auf der Volkswerft Stralsund verlegt. Auf den dortigen Versorgungsschiff der Volksmarine waren die Bedingungen gegenüber Prora noch schlechter. Kurze Zeit später war ich der Kolonnenführer in Richtung Berlin. Dort übergab ich entsprechend Befehl Bausoldaten in die Verantwortung von Gesundheits-, Alters- und Pflegeeinrichtungen. Nach dieser Verteilung in zivile Bereiche wurden in den Truppenteil Angehörige der Grenztruppen zur Auffüllung verlegt. Durch den „Buschfunk“ erfuhren diese von den Aufgaben und den Lebensbedingungen im PiBB. Im Ergebnis entstand eine „Revolte“ auf dem Exerzierplatz in deren Ergebnis die Zuversetzten die Nacht über auf dem Platz verharrten und am nächsten Tag im Regimentsklub („Holzoper“) Antworten auf ihre Fragen vom Chef Pionierwesen im Ministerium für Nationale Verteidigung erhielten, ausgekleidet und mit der Auflage sich im zuständigen Wehrkreiskommando zu melden, aus dem aktiven Wehrdienst entlassen wurden. Ich bin mir sicher, dass in dieser Nacht und nach dem „Frage- Antwort- Spiel“ auch Bausoldaten „Schützenhilfe“ leisteten. In dem Erlebnisbericht eines „Bausoldaten“ der letzten Einberufung wird ein Major erwähnt, der sich die Zukunft der Wehrdienstleistenden optimistisch und seine eigene eher zurückhaltend beurteilte. Ich bin mir ziemlich sicher, mich selbst in dieser Schilderung wieder zu erkennen. Allerdings geschah dies in der Nacht und gegenüber den ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen. Auch als die Trennung der beiden deutschen Staaten einseitig durch Aufhebung der Reisebeschränkungen erfolgte, hatte ich Dienst im Bataillon. Die Entlassungen standen am nächsten Tag auf der Tagesordnung. Am Kontrolldurchlass (KdL – Wache) verabschiedete ich die ehemaligen Angehörigen unseres Truppenteiles. Angehörige und Familienmitglieder erwarteten sie, zum Teil gerade aus Westberlin kommend mit Zeitungen und Bier, zur Begrüßung. Mit diesen Verabschiedungen war eigentlich auch schon die Geschichte dieses Truppenteiles beendet. Im Kasernenobjekt verblieben Berufssoldaten und Unteroffiziere auf Zeit (3 Jahre), die nach und nach als Zeitfreiwillige (2 Jahre) nach Storkow oder in die Reserve versetzt wurden. Bis zur Übergabe der Bewaffnung und der wesentlichen Bestandteile der technischen Ausrüstung (einschließlich der eingelagerten Mobilmachungsreserven) wurde die Kaserne von den noch vorhandenen Kräften bewacht. Als verantwortlicher Wachhabender erlebte ich auch die Nacht zum 3.Oktober. Punkt Mitternacht hatten wir den Befehl zum Uniformwechsel – wir führten ihn aus und als Bundeswehrangehöriger „nach besonderen Festlegungen“ kam ich nach 24 Stunden Dienst nach Hause zurück. Ich wurde mit den letzten Offizieren (bis auf einen als Verantwortlichen) dann innerhalb von wenigen Wochen ebenfalls als „vertrauensbildende Maßnahme“ der Bundesregierung aus dem Dienst verabschiedet. Danach erfolgte die Bewachung des Kasernengeländes durch einen zivilen Sicherheitsdienst. Die Unterbringung der Asylbewerber erfolgte im Bereich des ehemaligen Ledigenwohnheimes für Berufssoldaten. Dies dauerte nur geringe Zeit. Ihre Verlegung erfolgte in ein ehemaliges Arbeiterwohnheim in Mukran.
Soweit meine kurzen Erinnerungen an insgesamt sieben Jahre meines Dienstes in Mukran. Ich habe sie nicht geschrieben, um mich zu rechtfertigen oder anzubiedern. Es sind Erinnerungen an meine Dienstzeit als Berufssoldat und an „mein“ Truppenteil – dem Pionierbaubataillon mit der angeschlossenen Baueinheit 2. Das virtuelle Museum und (hoffentlich) die Erinnerungsstätte im Block V des „Kolosses“ in Prora sollten meiner Meinung nach dazu beitragen, dass 1. Die jüngste deutsche Geschichte nicht in Vergessenheit gerät; 2. die Betrachtung und Wertung nie wieder einseitig vorgenommen wird und 3. die künftige Jugendherberge (Block V), der Camping- (Appell-) platz, die Freizeit- (Mobilmachungs-)hallen, die Sporthalle und das Rezeptions- (Wach- und Arrest-) gebäude vielen jungen Menschen als Begegnungs- und Gedankenaustauschsstätte zur Verfügung stehen und von ihnen auch in diesem Sinne genutzt werden.
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