Die Rolle der Stasi

Lothar Kühne (ehemals Major und Offizier für kulturpolitische Arbeit im Stab
des PiBB Mukran / BE ") E-Mailadresse Nr.: 17

6.9.2007
Herr Kühne antwortet auf die folgenden Fragen der Bausoldaten:
“Der Brief von Herrn Schulze (30.8.2007) ist sehr beeindruckend. Können Sie diese Aussagen bestätigen?”
 

Sehr geehrter Herr Bemmann,
soeben habe ich die neugestalteten Museumsseiten besucht und war echt erstaunt. Einen derartig großen Raum für ehemalige Vorgesetzte hätte ich nicht erwartet. Eigentlich wären mir umfangreiche Wortmeldungen der ehemaligen Bausoldaten viel lieber. Persönlich wäre nun einmal interessanter, wie man uns als Vorgesetzte sah, mit uns die Zeiten des Wehrdienstes überstand und wie man so manches mal die Grenzen des Möglichen auslotete. In diesem Zusammenhang nur eine kleine Episode am Rande: Ich hatte wieder einmal Dienst als Offizier vom Dienst (OvD) für 24 Stunden. Wie immer ließ ich mich vor dem offiziellen Wecken im Bataillon von meinem „Gehilfen“ aus dem Bett werfen. Bei meinem darauf beginnendem Rundgang durch die Einheiten musste ich bereits beim Verlassen des Treppenhauses zum Stab in den dortigen Bäumen eine dicke Traube Luftballons wahrnehmen. Natürlich entsprachen sie nicht den allgemeinen militärischen Geflogenheiten und mussten unweigerlich dem Kommandeur bei seinem Eintreffen zwar nicht „ins Auge“ aber ganz bestimmt auffallen. Also – schnell
entfernen. Vom Baum herunter hatte ich sie ziemlich schnell und ohne größere Mühe. Doch wohin mit dieser Pracht? Also erst einmal in das Dienstzimmer und dort war dann der „Läufer“ und der „Gehilfe“ mit dem Ablassen der Luft aus den Ballons für eine ganze Weile beschäftigt. Das einfache „Abstechen“ wäre für mich erstens mit zu viel Geräusch verbunden gewesen und zweitens erfreuten sich meine Kinder noch wochenlang an diesen bunten Spielgelegenheiten. Im Nachhinein danke ich unbekannterweise den Spendern und schon vor Jahren hörte ich Nena’s Titel „99 Luftballons“…
Nun aber zu Ihrer Frage hinsichtlich der Vermutungen des Herrn Schulze und der Rolle der Staatssicherheit bei den gesellschaftlichen Veränderungen ab 1989. Das Husarenstück des ehemals besten Geheimdienstes muß echt von sehr langer Hand vorbereitet gewesen sein! Immerhin trägt mein Personalausweis der DDR (heute noch in meinem Besitz) das Ausstellungsdatum 31.03. 1988 und wurde im Zusammenhang mit dem erleichterten Reiseverkehr mit Polen und der ehemaligen CSSR ausgestellt. Ich könnte nun ein gedankliches Rad schlagen und die Ansicht verbreiten, auch Bundespräsidentinnen könnten ehemalige IM’s oder vielleicht mit den Eltern aus den alten Ländern eingeschleuste Mitarbeiterinnen des BND sein?
Vieles sehe ich eben anders als Herr Schulze und ich habe auch zum Teil ganz andere Erinnerungen. Richtig ist auf jeden Fall, dass er Hauptfeldwebel einer Kompanie und später Lagerverwalter für Bekleidung und Ausrüstung war. Auch an der Tatsache des abendlichen Genusses von Westkaffee während seines Dienstes habe ich kaum Zweifel. Die kommen mir bei anderen Schilderungen.
In dem kleinen gemauerten Kamin an der Seeseite des Gebäudes wurden nicht nur Unterlagen der Kompanien verbrannt. Ich schrieb dazu ja bereits. Verschlusssachen (VVS-Dokumente) des Bataillons kamen dort ebenfalls zur Vernichtung. Die „Verwaltung 2000“ hat sie nie benutzt. Ich bezweifle jedoch die Existenz von Aktenvernichter jeglicher Art in deren ehemaligen Diensträumen. Auch kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass der ehemalige Leiter dieser Diensteinheit (auch mir ist sein Name noch in Erinnerung) Aussagen gegenüber dem ehemaligen Fähnrich gemacht haben soll. Für die Übernahme von ehemaligen Angehörigen der Staatssicherheit in den zeitweiligen Dienst bei der Bundeswehr kenne ich nur einen Fall und dieser Dienst dauerte für den Betreffenden auch nicht bis 1994. Eine „Bereinigung“ der Personalakte (sie befand sich auf gar keinen Fall in der Dienststelle) war dazu in der Zeit der Veränderungen gar nicht nötig. So weit mir bekannt, wurde durch die Finanzstelle nur eine Zweitschrift des Sozialversicherungsausweises ausgestellt. Bei der aufzuführenden Tätigkeitsbezeichnung erfolgte der Eintrag „Armeeangehöriger“.
Beifall bei nichterfolgter Belobigung und Prämierung? Derartiges fand je nach Anlaß und Höhe vor den Zügen, Kompanien oder dem Bataillon bei Appellen statt. Da die Nichtbedachten immer in der Minderheit waren, hätte der Beifall oft stundenlang dauern müssen. Außerdem: wie hätte man einen derartigen Beifall dann dem Einzelnen zuordnen sollen? Die Nichtbelobigten wurden schließlich nicht namentlich erwähnt. Bestrafungen und tadelnde Erwähnungen gab es bei diesen Anlässen auch nicht. Militärisch konsequent wurde der Grundsatz durchgesetzt: nur vor Gleichgestellten oder Vorgesetzten.
Eine „Umvereidigung der ehemaligen NVA- Soldaten hat es im PiBB / BE-2 nie gegeben. Die BE-2 beendete ihre Existenz mit der Abversetzung der Bausoldaten in zivile Bereiche. Die Vorgesetzten schieden überwiegend aus dem aktiven Dienst aus. Nur wenige (nicht Herr Schulze) verblieben für die Abwicklung des PiBB im Objekt. Sie unterschrieben wie alle Anderen eine Verpflichtungserklärung. Wer von ihnen dann für zwei Jahre von der Bundeswehr übernommen wurde, musste ein Treuegelöbnis ablegen.
Der „Tellerwäscher“ in der Offiziershochschule für ausländische Militärkader und Wachposten am ehemaligen Hubschrauber Erich Honneckers – für mich eine Gestalt aus der Sagenwelt. Erstens ist eine derartige Strafversetzung undenkbar / unmöglich gewesen und zweitens kann ich mich bei bestem Willen an einen derartigen Besuch nicht erinnern. Wer sollte zu dieser Zeit auch noch am Standort gewesen sein, um Randstreifen zu malen und Rasen zu harken? Die wenigen Angehörigen des PiBB waren völlig ausgelastet mit Verpacken, Abfahren, Nachweisführungen, Wachdienst und mit ihrer Sorge um die persönliche Zukunft.
Diese Gedanken schreibe ich nicht, um einen Kleinkrieg mit Herrn Schulze vom Zaun zu brechen. Wir hatten uns nur auf Fairness und Ehrlichkeit geeinigt. Beiden Grundsätzen fühle ich mich (wie immer) verpflichtet. Ich möchte die Seiten des Museums auch nicht für politische Polemik benutzen. Erinnerung und geschichtliche Aufbereitung / Bewahrung stehen für mich im Mittelpunkt.

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