das allererstemal in Prora

Karl-Heinz Schulze (ehemaliger Ober- und Stabsfähnrich) E-Mailadresse Nr.: 18

Ich möchte kurz darlegen, was ich empfand, als ich das allererstemal in Prora ankam. Ich kam an einem 31.08.1983 in Prora Nord auf den "Feldbahnhof" an. Ich wusste nicht wohin ich in welcher Richtung gehen musste. Dort stand ein Soldat mit einem Spaten auf den Schulterstücken einfach so rum. Warum, weshalb und wieso wusste ich nicht. Ich sprach ihn an, aber weiß heute nicht mehr wie. Es war das zweite Mal, dass ich einen Soldaten mit Spaten auf den Schulterstücken sah. Ich hatte so etwas schon in den Lazaretten der NVA entweder in Potsdam oder Bad Saarow gesehen. Es war BS Hansen, welcher zur 3. Baukompanie gehörte, in welcher ich Hfw. werden sollte. BS Hansen war für mich ein etwas schwieriger Mensch. Dazu muss ich aber auch sagen, ich musste es erst lernen mit BS umzugehen. Ich war ja fast ahnungslos, was sich später als positiv herausstellte. Gegen 16:30 Uhr meldete ich mich zusammen mit Fw. Busch bei OSL. Aschendorff. Er war schlecht gelaunt und raunte uns gleich scharf an, weil Busch angetrunken
war. So "flogen wir gleich achtkantig" aus seinem Dienstzimmer. Am nächsten Morgen mussten sich die neu angekommenen Vorgesetzten bei OSL Aschendorff und OSL Siewert, einem Grenzoffizier, melden. Nicht Busch war in Aschendorffs Augen betrunken gewesen, sondern ich. So hatte ich hier auch einen glatten unverschuldeten Fehlstart. Noch am Abend der Ankunft erlebte ich, wie die meisten abkommandierten Offiziere in Prora während der Zeit nach dem Dienstschluss wie die "Löcher" gesoffen hatten. Es waren 3 schwere Monate im sogenannten Ledigenwohnheim, wo man durchaus hätte zum Alkoholiker werden können. Entsprechende Bilder werde ich dem NDR vorlegen. Zum 1. 12.1983 bekam ich in Sagard die mir versprochene Einraumwohnung. Mein allererster Eindruck von der NVA war negativ, denn ich kam von den Grenztruppen und war eine straffe Disziplin und Ordnung, aber auch Kamaradschaft und gegeseitige Hilfe auch zwischen den unterschiedlichsten Dienstgraden gewöhnt. Allgemein redeten sich an der Grenze die Angehörigen gleichen Alters in der Regel mit "Du" an. Das wurde uns in Prora verboten. Dazu kam bei mir, dass ich zwei Planstellen besetzte. Einmal war ich Hfw. in der 3. BK und das andere mal Verantwortlicher für Baustellenversorgung und Werkzeugausgabe im Versorger Mukran. So wurde ich manchmal gleichzeitig auf der Baustelle oder der Kompanie gesucht. Auch damals schon fand ich Ruhe bei meinen BS aus der 3. BK im Versorger Mukran oder in der Pausenbaracke Baustelle Kläranlage Bergen. Die 3. BK baute unter Leitung von KC Ltn. Kupfer die Kläranlage in Bergen, da sonst das Neubaugebiet 7
Bergen-Rothensee nicht realisiert werden durfte. Desweiteren wurden BS der 3. und 4. BK auf Usedom, wo weiß ich nicht, zum Bau von "strategischen Getreidelager/Silos" für den Ernstfall, eingesetzt.
Ich sage es ganz ehrlich, wenn ich als Soldat nach Prora gekommen wäre, dann wäre ich auch nie Berufssoldat geworden. Was soll man also als Vorgesetzter machen, wenn man mit dem Rücken fast an der Wand steht? Den Rücken frei halten und sich mit den Soldaten/Bausoldaten einigermaßen "vertragen" oder sich mit den Methoden der meisten Vorgesetzten abzufinden und mit zu laufen. Mit den heutigen geschichtlichen Abstand schreibt sich vieles leicht und einfach, aber es war es bei weitem nicht. Ich selber hatte nicht zu diesen Intiganten und teilweise unmöglichen Vorgesetzten gehört. Das schließt aber nicht aus, dass es auch berechtigte Kritik an meiner Person geben kann und auch wird. Ich möchte damit auch zum Ausdruck bringen, dass Prora nicht nur für Bausoldaten kein Glücksfall war, sondern auch für Vorgesetzte, welche nicht aus Disziplinargründen dort hin versetzt wurden. Prora ist für mich der Anstoß gewesen viele Dinge mit anderen Augen zu sehen und hat auch Widersprüche zu meinen politischen Ansichten aufbrechen lassen. Prora hat mich nicht gebrochen, ebenso wie viele BS nicht gebrochen
wurden. Aber Prora hatte mich nachhaltig verändert, ohne es schon damals zu merken. Dass sich Aschendorf nicht "geändert" hat verwundert mich nicht. Auch ich stand vor 3 Jahren als Handelsvertreter vor seinem Anwesen in Putbus. Er war auch da noch so arrogant und überheblich wie in der Dienstzeit. Bevor ich es vergesse, als ich am 27. oder 28. Juli 1989 durch die Staatssicherheit eingesperrt wurde, gab es im Stab einen Appell, an welchen der OSL. Gampe vor den ganzen Stab verkündete, "Schulze, den Verräter sind wir los". Es war das zweite Mal in meinem Leben, dass ich als Verräter bezeichnet wurde.
Dazu muss ich sagen, dass ich mir die Freiheit herausgenommen hatte und Aschendorffs Alkoholexesse in einer Parteiversammlung kritisiert hatte. Wer einen Eimer Wasser nach oben schüttet, erhält einen Ozean zurück.

zurueck105

_______________________________________________________________________________________________

Startseite; Zum Gedenken; Presseseite; Prora; Fragen; Bausoldaten; Vorgesetzte; Literatur; Gästebuch; Kontakte; Termine; Links

Copyright ©