Aktenvernichtung/Wende

Karl-Heinz Schulze (ehemaliger Ober- und Stabsfähnrich) E-Mailadresse Nr.: 18

30.8.2007
Herr Schulze antwortet auf die folgenden Fragen der Bausoldaten:
“In Ihrem ersten Schreiben (27.8.2007) hatten sie erwähnt, dass das Vernichten der Akten schon im Februar 1989 begann. Wissen Sie darüber mehr? Hatte man schon eine Vorahnung, dass eine Wende unausweichlich war? Wann war das Vernichten abgeschlossen?”

Hallo Herr Bemmann,
Ich möchte kurz Ihre Frage beantworten. Bitte haben Sie Verständnis dafür, wenn ich meine Quellen noch nicht offen legen kann. Auf meine Aussagen würde ich aber den Eid auf Glaubwürdigkeit ablegen. Dies soll nichts mit neuem Misstrauen zu tun haben.
Wie schon mitgeteilt, wurde im Frühjahr 1989 mit der Aktenvernichtung begonnen. Wie geschah dies? Es wurde in den Stellungsnahmen von ehemaligen Bausoldaten der Verdacht geäussert, dass dies in der "Verbrennungsanlage" auf der Seeseite des Objektes V erfolgte. Das ist nicht richtig. Diese Anlage diente zum Verbrennen von nicht VS Material (VS gleich Verschlusssache) der Hauptfeldwebel oder Zugführer.
Die Bereinigung der Personalunterlagen der Berufssoldaten begann sogar noch früher und es wurden wieder Personalausweise ausgegeben. Meiner wurde am 15.03.1988 ausgestellt. Ich besitze ihn noch. Warum wir diese Ausweise wieder bekamen, wurde nicht begründet.
Akustisch wurde die Vernichtung von Akten des militärischen Geheimdienstes ab Februar 1989 in der Schneiderei des Truppenteils durch die dortigen Mitarbeiter vernommen. Eine Mitarbeiterin äusserte sich dazu. "Die Maschinen liefen Tag und Nacht, aber wir wussten nicht was da vorging." Die Räume des militärischen Geheimdienstes lagen ungünstigerweise
nebenan.
Was dort vorging wurde mir 1992 oder 93 durch einen ehemaligen Offizier des Dienstes "ausversehen" mitgeteilt. Aussage wörtlich." Wir haben auch nicht an der Wand geschlafen und wussten seit längerem, dass die DDR nicht mehr zu halten ist. So wurde die Aktenvernichtung von Oben befohlen. Auch deine Akte existiert nicht mehr." Damit war meine persönliche Akte gemeint. Wegen dieser war ich bei ihm vorstellig geworden, um zu beweisen, dass ich kein Mitarbeiter des MfS oder des militärischen Geheimdienstes war. Mit dieser Begründung wurde ich aus den Wachdienst entlassen. Ein Gerichtsprozess brachte an den Tag, dass die Chefs der Wachgesellschaft, welche nur militärische Objekte bewachte die Chefs der Staatssicherheit im Bezirk Rostock waren. Natürlich war man jetzt blamiert. Nähere Ausküfte müsste Herr R. Eppelmann, damals Minister für Verteidigung /Abrüstung geben können. Er Kann auch die Frage beantworten, wo die Schützenmunition und die Torpedos  der Volksmarine und NVA Truppendislozierung Rügen abgeblieben sind. Ich weis es ebenfalls. 1993 fand ich in der ehemaligen SED Kreisleitung Berlin Lichtenberg, Alfred Kowalkestraße. eine handschriftliche Mitschrift eines Befehls von Stasiminister Mielke. Dieser Befehl macht die Aktenvernichtung und die Ausgabe von Personalausweisen logisch schlüssig. Leider konnte ich dieses Papier nicht sicherstellen, da zuviele andere Leute zugegen waren. Der Befehl stammte vom Frühjahr 1989.
Gedächnisprotokoll:
Im Falle eines scheiterns der DDR sind zu gründen:
Bürgerbewegungen, Parteien, namentlich Sozialdemokratische Partei, Kommunistische Partei, Umbenennung SED in PDS und weitere.
Es ist zu gewährleisten, dass in allen Parteien, Organisationen und Bürgerbewegungen zuverlässige Kräfte des MfS die Führung innehaben.
Es folgten noch Hinweise zur Durchführung.

Darum verwunderte es nicht, dass Ibrahiem Böhme, SPD, Wolfgang Schnur DA, Eckehard Ulmann KPD, Gysi PDS, Lothar de Miesere CDU ua. als IM des MfS entlarvt wurden.

Die Aktenvernichtung in Prora wurde meines Wissens nach im Sommer 1990 abgeschlossen und Offiziere des militärischen Geheimdienstes als Uteroffiziere in die Bundeswehr übernommen.

Während die Bevölkerung sich berechtigt in den Montagsdemonstrationen, auch an der Küste, Gehör verschaffte und eine bessere DDR wollte verbündeten sich Teile der sogenannten Nomenklatura mit ihren neuen "Brötchengebern". Sie Opferten die alte Versoffene und verkalkte Führung um im vereinigten Deutschland weiter Kariere machen zu können. Dadurch war es ihnen auch gelungen die revolutionäre Situation in der DDR mit der  überhasten Grenzöfnung den Schneid abzunehmen. Ich erinnere an Schabowski und Ex Verkehrsminister Günter Krause.

Soweit zu dieser Episode in der Wendegeschichte.

Herzliche Grüße

zurueck23

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