28.08.2007
Sehr geehrter Herr Bemmann,
ich bedanke mich für die schnelle und sachliche Antwort. Ich gehe davon aus, dass wir uns persönlich begegnet waren, ohne sich konkret daran erinnern zu können. Zuerst bedanke ich mich dafür, dass aus Ihren Brief nicht die Fratze der Feindschaft, sondern der gegenseitigen Achtung spricht. Inzwischen sind sehr, sehr viele verlorene Jahre in das Land gegangen. Über das, was uns bewegt kann man ganze Bücher Schreiben, nur wer wird diese lesen?
Seit 1986 war ich verantwortlich für die Bekleidung und Ausrüstung. Die Nichtpassmäßigen Uniformen, die Probleme bei der Reinigung und die Sicherstellung vor allem mit Regenklamotten sorgten immer wieder zu berechtigten Eingaben und Kritiken. Möglicherweise können Sie sich jetzt etwas verschwommen an mich erinnern. Ab und zu hatten auch Bausoldaten im B/A Lager arbeiten dürfen/müssen. Die Tätigkeit in diesem Fachbereich brachte mir die Stasihaft ein. Ursache war, das der Batalionskomandeur, ein Parteisekretär und ein ganzer Ring von Vorgesetzen verschiedenster Dienstgrade aus meinen Felddienstuniformbestand eine bestimmte Anzahl in die damalige Bundesrepublik gegen Videoanlagen verschmuggelten. Das nur abweichend dazu, wie ich so tief „abstürzen“ konnte. Nein ich habe dies nicht als Absturz verarbeitet. Es war etwas anderes, etwas was vermutlich nur die Bausoldaten nachvollziehen können. Ich, ein bekennender Kommunist wurde schlimmer behandelt als es sich ein Mensch überhaupt vorstellen kann. Ich hatte den kalten Krieg als heißen erlebt. Ich war 10 Jahre an der Westgrenze, bevor ich nach Prora kam. Ich war 21 Jahre alt, als von bundesdeutscher Seite auf mich und meinen Posten geschossen wurde. Das war der Grund, weshalb ich Berufssoldat wurde. Ja, auch ich habe mein Trauma. Dann kam ich nach Prora. Ich freute mich auf die neue Aufgabe. Was ich aber dort erlebte ließ Widersprüche ausreifen, welche mit meiner Überzeugung nicht vereinbar waren. Wie den Grad zwischen militärischer Pflichterfüllung und persönlichen Widersprüchen dazu gehen? Ich erinnere mich gern daran, wenn ich Abenddienst in der 3.Baukompanie, Kompaniechef Hptm Suche, ehemaliger Politoffizier hatte, wie man mit manchen Bausoldaten (West-)Kaffee getrunken hatte. Wir redeten offen und ich erhielt 1985 kurz nach meiner Hochzeit das Angebot, mich für 10.000,00 DM „Freizukaufen“ Das lehnte ich ab und unterließ auch eine Meldung an meine Vorgesetzten. Ich betrachtete es eher als eine spaßige Provokation. Ich selber war in der SED offiziell der „Genosse“ mit der längsten Parteistrafe. Deshalb gab es für mich keine Beförderungen und Prämien. Meine Bausoldaten quittierten jedes Mal, wenn ich beim Batallionsapell keine Prämie bekam dies mit Beifall, ich bekam danach den Ärger der Vorgesetzten zu spüren. Wer erinnert sich noch an das umgedichtete Lied von Buchenwald, „Wir sind die Moorsoldaten“? Wer erinnert sich noch an den Text, „Wir sind die Bausoldaten und ziehen zum Bau...“ Kurz um, alle diese Erfahrungen hatten auch mich verändert. Nach meiner kurzen Stasihaft begrüßte auch ich die „Wende“, denn es war notwendig, dass sich vieles ändert. Ich erlebte Gemsböcke, durch und durch verlogene Parteifeiglinge, Schmeichler und andere Wichtigtuer. Ein Lieblingsspruch von mir an meine Bausoldaten war, „Am Tag des jüngsten Gerichts sehen wir uns wieder“ Bisher ist er noch nicht eingetreten, aber ich arbeite seit mehreren Jahren daran wieder in Kontakt zu kommen. Ja Prora hat uns alle verändert, was wurde aus unseren Träumen und Sehnsüchten nach einer besseren Welt? Welche Schuld oder Nichtschuld hat ein Jeder oder nur ich persönlich daran, dass alles so Enden musste? Gibt es eine Möglichkeit sich mit Abstand der Jahre sich gegenseitig ehrlich in die Augen zu schauen? Gibt es weltanschauliche Differenzen und wie sehen diese heute aus?
Dies soll für heute eine Antwort gewesen sein. Ich bin durchaus dafür, die Stellungsnahmen von ehemaligen Vorgesetzten so wie vorgeschlagen zu veröffentlichen. Es werden sich nach meiner Überzeugung nur wenige dazu bereit erklären. Im „Vorpommern-Blitz“ ist zum Thema am 26.08.07 ein Beitrag von mir veröffentlich worden. Diesen sende ich mit. Die Beiträge von mir sind zur wortgetreuen Veröffentlichung autorisiert.
Ich wünsche mir, dass sich viele ehemalige Bausoldaten und möglichst viele ehemalige Vorgesetzte ehrlich, selbstkritisch und lernwillig zu dieser, unserer gemeinsamen Geschichte äußern.
Danke und herzliche Grüße
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