14.9.2007

Karl-Heinz Schulze (ehemaliger Ober- und Stabsfähnrich) E-Mailadresse Nr.: 18

Sehr geehrter Herr Bemmann,

Inzwischen habe ich mir die Seiten von „Proraer Bausoldaten“ etwas intensiver angeschaut. Ich finde, diese sind recht gut gelungen.
Ich habe auch die Beiträge von Herrn Kühne gelesen. Diese beweisen ganz deutlich, dass die Vorgesetzten keine homogene Masse waren, auch wenn sich bisher nur zwei gemeldet haben. Dennoch ist in der Beurteilung ein Unterschied zu bemerken. Herr Kühne war von Anfang an Stabsmitarbeiter. Ich dagegen begann meine Tätigkeit für mich völlig ungewohnt auf der für mich anfänglich nicht übersehbaren Baustelle. Im ehemaligen NVA Versorger in Mukran befand sich das Werkzeuglager für welches ich verantwortlich war.
Gleichzeitig wurde dort auch für ein Teil der Bausoldaten die Mittagsversorgung abgesichert. Auch dafür war ich bis 1984/85 verantwortlich.
Gleichzeitig war ich Hauptfeldwebel in der 3.Baukompanie. Bis zum Wechsel des Kompaniechefs salopp gesagt ein erträglicher „Job“. Stress gab es immer dann, wenn ich entweder in der Kompanie, auf der Baustelle oder im Versorger gebraucht wurde - weil etwas nicht klappte. Ich verhehle auch nicht, dass es auch für mich Vorgesetzte gab, mit denen ich nicht konnte. Aber alles das ist unwichtig in der Erinnerung. Wichtig ist meiner Meinung nach, wann, wo und wie mit den Bausoldaten gearbeitet werden musste. Ich war glücklicherweise aus Unkenntnis über den Status Bausoldat unvoreingenommen in diese Einheit gekommen, hatte bis Mai 1986 jeden Tag mit diesen Menschen zu tun und war bemüht ein erträgliches Verhältnis aufzubauen. Inwieweit dies gelungen war, können nur die ehema-ligen Bausoldaten einschätzen, welche mit mir zu tun hatten.
Auch eine militärische Baueinheit ist nur so gut in der Aufgabenerfüllung wie sie geführt wird. Auch hier gilt, der Fisch beginnt am Kopf zu stinken.
Ab Mai 1986 wurde ich Fachdienstleiter für Bekleidung und Ausrüstung sowie verantwortlicher für die Chemische (Schutz-) Sicherstellung. Der Lagerverwalterfür Bekleidung und seine Mitarbeiter unterstanden mir. Von da an hatte ich nur noch wenig Kontakt zu den Bausoldaten.
Ab Frühjahr 1989 war ich Fachdienstleiter für Bewaffnung und wurde wegen des mir bevorstehenden Mi-litärprozesses abgelöst und wieder als Hauptfeldwebel in der 4. Baukompanie eingesetzt.
Nach Auflösung der Baueinheit wurde ich in die OHS (Offiziershochschule) „Otto Winzer“ abkommandiert, denn so hieß es offiziell. Dort arbeitete ich tatsächlich als Abwäscher. Auch das ist unwichtig. Wichtig war für mich die Erkenntnis, das mit „Abtrünnigen“ umgesprungen wurde wie mit Verbrechern. Mir wurde auch unmissverständlich mitgeteilt, dass ich 5 Jahre eingesperrt werden soll. Noch 1989 wurde der Prozess gegen mich fallen gelassen, aber das Brandzeichen brennt noch heute. Ich Denke, die ehemaligen Bausoldaten können das richtig einordnen und nachvollziehen. Hat sich schon überhaupt einer die Mühe gemacht und hinter-fragt, was es emotional bedeutet, von den eigenen Leuten als Verräter vor versammelter „Mannschaft“ betitelt und beschimpft zu werden?
Was der Sagenwelt angeht möchte ich nichts hinzufügen. Was zählt sind Fakten und Tatsachen. Man kann ja Herrn Eppelmann fragen, was er gemacht hat als er Minister wurde. Was alles undenkbar und unmöglich war habe ich persönlich genug erfahren. Deshalb habe ich auch eine andere Meinung zur folgenden Entwicklung, welche sich fälschlicherweise „Wende“ nennt.
Ich habe zum 31.12.1990 freiwillig die in Auflösung befindliche NVA verlassen. Erstens war ein weiterer Dienst nicht mehr mit meinem Eid vereinbar und zweitens hat man es einfach nicht mehr ausgehalten. Auch das ist eine Wahrheit über Prora. Was danach im Objekt geschah entzieht sich meiner Kenntnis.
Auch die Umvereidigung ist kein Märchen, sondern entspricht sogar der Tradition deutscher Armeen. Hitler hatte die damalige Reichswehr auf sich als Person umvereidigen lassen. Meine letzte negative Erfahrung war die Umkleidung des NVA Restpersonalbestandes in die Bundeswehruniform. An diesen Tag entschied ich mich den Dienst zu quittieren. Es war der tag als der Golfkrieg begann.
Da es hier um die ehemaligen Bausoldaten geht, soll es den Umständen entsprechend der letzte Beitrag zu meiner Person sein. Ich begrüße es, wenn mehr Ehemalige zu Wort kommen und über ihre Erfahrungen berichten.

Bis bald und herzliche Grüße Karl-Heinz Schulze

zurueck38

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