Teil meiner Biographie

Matthias Harmuth (Matthes) - ehemaliger Bausoldat (E-Mailadresse Nr. 138)

Prora – ein wichtiger Teil meiner Biographie

Hmm, hmm meinte der Schalterbeamte und begann im Fahrplan zu blättern. Nach ca 15 Minuten legt er mir ein Zettel hin: Cottbus ab - Bln. Schöneweide an, Bln Lichtenberg ab – Stralsund an, Stralsund ab – Prora an. Also dort lag dieses Prora. Der Blick jedoch, den mir der Reichsbahnangestellte immer wieder zuwarf, ließ mich etwas nachdenklich werden, (was will/meint der?) .

Irgendwann war ich auf dem Bahnhof Prora und hatte wage Vorstellungen von dem was mich erwartet:

  • ein zusammengepferchtes Leben mit Gleichgesinnten.
  • Vorgesetzte, die Kraft der ihnen vom Staat übergebenen Befugnisse nun sagen werden, wann ich aufzustehen , zu essen, zu arbeiten oder pinkeln zu gehen habe.
  • eine „Ordnung“ die mir fremd sein wird und in die ich mich einfügen muß
  • sportliche Ertüchtigung ,die ich nicht mag,
  • Angst, aus was für Gründen auch immer (Schikane, Sollerfüllung, Willkür…) nach Schwedt zu kommen (hatte davon schon von einem Ehemaligen gehört)
  • aber vor allem Ohnmacht, mich nicht um meine Frau und meine 3 Männer kümmern zu können.

Einkleidung gepaart mit div. Einschüchterungsversuchen und militärischer Drill, damit habe ich gerechnet. Der erste wirkliche Moment der mich aufwachen ließ, war der Moment des Gelöbnisversuchs. Kollektive Verweigerung war mir fremd! Bin bis dahin immer meine eigenen Wege, - mit dem Wissen um Konsequenzen- allein gegangen. Die Reaktion des Kommandeurs, vor allem aber der Zugführer und anderer „weiß ich was für Vorgesetzte“ brachten die Erkenntnis: hier herrscht Chaos , Dummheit gepaart mit Macht – eine unheilvolle Allianz. Diese Vorgesetzten haben fast allein das Gelöbnis gesprochen -was hat denn dieses System für ein Selbstver-
ständnis?

Mir war klar, dass ich nicht bei den Hobbybastlern zu Gast bin, aber ich hatte geglaubt, dass ich es vorwiegend mit Leuten zu tun zu haben werde, die diesen ihren Weg ebenso aus Überzeugung gehen. Derartige Mitmenschen sind (auch heute noch) für mich interessant, da sie Anlass zum Nachdenken und für Streitgespräche sind. Die Mehrzahl jedoch waren uniformierte, gelebt werdende und auf Karriere und Vorteile bedachte Mitläufer. Irgendwann sagte man mir mal den Satz „ versuch mal ´ne Qualle an die Wand zu nageln – keine Substanz“. Dieser Satz fiel mir hier ein.

Das war zwar für mich ernüchternd und auch beängstigend, jedoch hatte mein Lebenslauf mir bis dahin schon manchen ideologischen Spießrutenlauf zukommen lassen. Ich war z.T. abgebrüht, man konnte mich kaum negativ überraschen. Verwundbar war ich jedoch beim Thema Familie, doch das sollten „Sie“ ja nicht mitbekommen!

Fazit meines Bausoldatendaseins ist :

  • Ich habe dort meine wirklichen (und nicht geglaubten) Grenzen und Wertvorstellungen zu den Themen: Glaube, Familie, Toleranz und Gewissen kennen gelernt.
  • Ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass Leute mit gleichen Zielen und Wegen nicht automatisch Gleichgesinnte sind, egal wofür bzw. wogegen man ist
  • Ich habe die Erfahrung gemacht, dass manch Unverhofftes geschieht, wenn man seinem Gegenüber die Toleranz und die Rechte zugesteht, die man von ihm für sich selbst
    einfordert.
  • Auf die Frage nach Gerechtigkeit oder Demokratie gibt es viele Antworten, die alle gleich richtig und falsch sind…
  • Die Entscheidung Spati zu werden war richtig und wichtig!

20.10.2008 Matthes

 

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