Musterung/Stellungnahmen

Musterungsprotokoll und Stellungnahmen


ANTRAG AUF WEHRERSATZDIENST

Bernhard Wagner                                                                                  Finsterwalde, den 15.2.83
Finsterwalde
Jägerstr, 4

An das Wehrkreiskommando Finsterwalde

Betr.: Ableisten des Wehrersatzdienstes bei den Baueinheiten im Bereich des Ministerium für Nationale Verteidigung

Hiermit erkläre ich, daß ich mich aus Glaubens- und Gewissensgründen außerstande sehe, einen Dienst mit der Waffe abzuleisten,
Ich werde den gesetzlich dafür vorgeschriebenen Weg (Gesetzblatt vom 16.09.1964, Teil I, Nr.11, S. 129 "Über die Aufstellung von Baueinheiten") gehen und meinen Dienst bei den Baueinheiten ableisten.
 
(Bernhard Wagner)
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                                                                                                                                               über KDW
Bernhard Wagner
7980 Finsterwalde/NL
Jägerstr. 4

Kaplan Peter Paul Gregor
7980 Finsterwalde/NL
Platz der DSF 3
Finsterwalde, den 7.3.83

Herrn Bischof
B. Huhn
89 Görlitz
Ordinariat

Betr.: Unterstützung für Herrn Wagner zum Ableisten seines Wehrersatzdienstes bei den Baueinheiten der NVA

Sehr geehrter Herr Bischof!

Herr Wagner wurde am 14.02.83 (Poststempel) für den 7.3.86 vom Wehrkreiskommando Finsterwalde zur Einberufungsüberprüfung aufgefordert.
Herr Wagner antwortete mit beiliegendem Schreiben am 15.2.83. Dieser Brief war ein Einschreibebrief mit Rückschein. Den Rückschein und damit die Bestätigung des Einganges dieses Schreibens beim Wehrkreiskommando erhielt Herr Wagner am 17.2.83

Herr Wagner möchte nun ein Gedächnisprotokoll der heutigen Musterung wiedergeben:
Offizier: OHerr Wagner: W

O: Ich habe sie vorgesehen für den aktiven Wehrdienst im Mai. Haben sie etwas dazu zu sagen?
W: Haben sie mein Schreiben erhalten?
O kannte dieses Schreiben nicht: Wir haben kein Schreiben.
W: Ich habe die Rückantwortkarte meines Schreibens erhalten. Das Schreiben müßte also theoretisch vorliegen.
O: Was steht in diesem Schreiben drin?
W legte das Original des Schreibens vor. O las dieses Schreiben.
O: Welche Glaubensgründe haben sie?
W: Das beschäftigen mit dem Neuen Testament.
O: Sind sie aktiver Christ?
W: Ja.
O: Das ist wohl erst in den letzten Wochen gekommen. Sie waren doch schon mal vor Jahren zur Musterung.
W: Ja.
O: Da haben sie das noch nicht angegeben.
W: Da war ich noch nicht so weit. Ich habe jetzt erst die Gewissensentscheidung getroffen.
O: Wie lange sind sie Christ?
W: Seit meiner Taufe.
O: Auf Grundlage welchen Gesetzes treffen sie die Entscheidung?
W: Gesetzblatt vom 16.09.1964, Teil I, Nr. 11, S. 129 “Über die Aufstellung von Baueinheiten”.
O: Das ist kein Gesetz. Das ist nur eine Anordnung. Es gibt nur das neue Wehrgesetz. Was werden sie tun, wenn sie im Mai eingezogen werden mit der Waffe?
W: Ich würde mich an meinen Bischof wenden. Ich würde um Unterstützung bitten und fragen, welche rechtlichen Schritte man einleiten kann, damit ich den Dienst mit der Waffe nicht ableisten brauch.
O: Welcher Bischof ist das?
W: Unser katholischer Bischof Bernhard Huhn in Görlitz.
O: Ich habe diesen Antrag zur Kenntnis genommen. Ich werde dies berücksichtigen.
- Schluß -

Herr Wagner weiß jetzt nicht, wie er sich verhalten soll. Er bittet deshalb um Rat und Hilfe.
Mit frohen Grüßen verbleiben wir

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Dieses Musterungsgespräch ging natürlich nicht so gesittet zu, wie es hier den Anschein hat.
Der Offizier war teilweise recht laut. Zum Beispiel sagte er zu mir: “Sie wollen also zu den Baueinheiten?”, ich: “Ich werde!”, er: “Sie wollen!”, ich: “Ich werde!”, er, laut schreiend: “Das bestimmen wir!”.
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NVA / BE II - 4BKO.U. den 8.2.86
BS Wagner, Bernhard
WdA.Nr.: 76/0004988

Stellungnahme

Betrifft: Wegwerfen eines Zettels

Vom 7.2.86 bis 8.2.86 war ich Diensthabender der 4. Baukompanie. Bei der Diensteinweisung durch Leutnant Störzel belehrte mich dieser, welche dienstlichen Maßnahmen für den Tag vorgesehen sind. Unter anderem belehrte er mich auch über die dienstliche Maßnahme: Filmpflichtveranstaltung (Thälmannfilm). Er gab mir den Hinweis, mir einen Zettel anzufertigen, damit ich eine bessere Übersicht habe, wer den Fernsehraum verlassen hat, um die Toilette aufzusuchen oder sich mal einen Schluck zu trinken zu holen. Er deutete mir an, daß eine Kontrolle durch einen Major oder durch den OvD erfolgen könnte und ich in diesem Fall, anhand des Zettels den momentanen Aufenthalt der einzelnen Bausoldaten nachzuweisen im Stande wär. Da bis zur Pause des Films keine Kontrolle erfolgte, und sich wieder alle Bausoldaten im Fersehraum befanden, erachtete ich diesen Zettel für überflüssig und warf ihn weg, um das Gesamtbild des UvD-Tisches nicht mehr als nötig durch lose Zettel zu verunstalten. Wenn dieser Zettel von einer derartigen Wichtigkeit war, was ich weder wußte, noch mir vorstellen konnte, daß ich deswegen eine Stellungnahme schreiben muß, dann hätte mir der Leutnant Störzel einen eindeutigen Befehl geben müssen, wie mit diesem Zettel zu verfahren ist.


28.3.86


Beschwerde

Hiermit beschwere ich mich über die Einschränkung meiner Gewissens- und Glaubensfreiheit, die mir laut Verfassung der DDR Artikel 20 zugesichert wird.
Vom Feldwebel Mertens wurde ich vom 29.3. - 30.3.86 zum UvD-Dienst eingeteilt. Bei der Diensteinweisung am 27.3.86 stellte ich an Feldwebel Mertens die Frage, ob ich den UvD-Dienst tauschen könne, da ich mich für den 29.3.86 zum Ausgang eingeschrieben habe, um den Gottesdienst zu besuchen. Dies wurde mir ohne Umstände gestattet. Am Abend erhielt ich durch den UvD die Benachrichtigung, daß dieser Tausch vom Kompaniechef, Oberleutnant Störzel, nicht genehmigt wurde. Dadurch sehe ich mich in schwere Gewissensnöte gebracht, da Ostern für mich, als katholischer Christ, der größte Feiertag im Jahr ist und ich mich durch meinen Glauben verpflichtet fühle, den Gottesdienst zu besuchen.
Ich bitte um eine nachträgliche Klärung dieses Sachverhaltes.

 

NVA / BE II - 4BKO.U. den 10.6.86
BS Wagner, Bernhard
WdA.Nr.: 76/0004988

Stellungnahme

Am 9.6.86 kurz nach der Nachtruhe suchte ich das Zimmer 15 auf, um dem dortigen Genossen Bausoldaten eine Briefkarte zu zeigen, auf der eine lustige Zeichnung war. Bei dieser Gelegenheit zeigte mir BS Hochbaum eine angefangene Flasche Goldbrannt. In diesem Moment betrat Unterleutnant Völkel das Zimmer und beschlagnahmte die Flasche. Dadurch wurde mir die Möglichkeit genommen, in Versuchung zu geraten einen Schluck zu trinken.



NVA / BE II - 4BKO.U. den 29.12.86
BS Wagner, Bernhard
WdA.Nr.: 76/0004988

Stellungnahme

Betrifft: Verspätete Rückkehr aus dem Urlaub

Am 28.12.86 wollte ich, wie nach jedem Urlaub, um 21.³³ Uhr ab Kirchhain den D-Zug Dresden - Berlin benutzen. Ich ließ mich von meinem Bruder mit dem Auto nach Kirchhain bringen. 10 Minuten vor der ausgeschriebenen Abfahrtzeit des Zuges war ich auf dem Bahnhof. Ich begab mich sofort zum Abfahrtsbahnsteig des Zuges. Dort machte mich stutzig, daß der Bahnsteig leer war und nicht wie sonst von Reisenden bevölkert. An Hand des Fahrplans wollte ich mich davon überzeugen, ob die Abfahrtzeit des Zuges nicht verändert worden ist. Die Abfahrtzeit war nicht verändert, dafür las ich aber den Vermerk: “nicht am 28.12.”. Ich holte nun mein Kursbuch aus der Tasche und mußte auch dort diesen Vermerk lesen. Da ich diesen Zug immer benutzte und mit dieser Möglichkeit absolut nicht gerechnet hatte, hatte ich mich nie so intensiv mit dem Fahrplan beschäftigt, daß mir dieser Vermerk aufgefallen wäre. Ich suchte nun nach der nächstmöglichen Verbindung, mit der ich meine Dienststelle auf schnellstem Wege erreichen konnte und machte anschließend, über Telefon, Meldung an den OvD.
 
NVA / BE II - 4BKO.U. den 26.3.87
BS Wagner, Bernhard
WdA.Nr.: 76/0004988

Stellungnahme

Am 25.3.87 war ich im Ausgang. Ich bin mir keines Verstoßes gegen die Dienstvorschrift bewußt. Ich kann mich auch nicht erinnern, in Gesprächen Namen oder Dienststellungen von Vorgesetzten genannt zu haben. Auch BS Cygan und BS Grosse, mit denen ich zusammen war, können sich an derartiges nicht erinnern. Ich muß noch erwähnen, daß ich Alkohol getrunken habe, aber nicht soviel, daß ich das Ansehen der NVA geschädigt hätte, und dadurch mein Erinnerungsvermögen etwas erschwert ist, so daß ich Sinn und Wortlaut unserer Gespräche nicht wiedergeben kann.


Stellungnahme

Hauptmann Lenz verlangte von mir eine Äußerung niederzuschreiben, die ich gestern im Zug zwischen Bergen und Prora gemacht haben soll. In meiner vorhergehenden Stellungnahme hatte ich bereits erklärt, daß ich mich an Sinn und Wortlaut der Gespräche zwischen BS Grosse, BS Cygan und mir nicht erinnern kann, deswegen bin ich auch nicht in der Lage, der Anordnung von Hauptmann Lenz folge zu leisten. Auf mitfahrende Reisende im Zug habe ich nicht geachtet, lediglich Unterleutnant Völkel ist mir aufgefallen, da ich ihn kenne.

 

zurueck39

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