mein Bausoldatenerlebnis in Schwedt

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Mein Bausoldatenerlebnis in Schwedt

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29.4.2014
Uwe Lembcke     
(E-Mail-Nr.: 332)

Eine schöne Sache , dieses virtuelle Museum . Eigentlich wollte ich den ganzen Schmutz von damals begraben wissen. Es war die Zeit 1985 bis 1987 . Nie konnte ich begreifen, was die Genossen Oberen von mir wollten. Sie wussten doch wer ich bin und dass ich zur nationalen Verteidigung generell nicht  taugte. Ehre sollte ich ihnen bezeugen  und ihre Rangordnung erlernen. Was für eine verrückte Welt war das. Zunächst war ich in  Doberlug- Kirchhain bei Finsterwalde kaserniert. Wir waren ca. 90 Mann – eine durchweg super gute Truppe.  Trotzdem lag immer etwas Gift in der Luft. Irgend so ein  Kommandant, ich habe  mir seinen Namen nie merken können, wollte etwas von mir, ohne dass vorher mit mir abgestimmt zu haben. Geld ( etwa 90,- Mark)  sollte ich von ihnen nehmen, obwohl ich gar keinen Vertrag mit ihnen hatte. Kein Geld von den Führungsorganen anzunehmen, war vermutlich in ihren Augen ein schweres  Vergehen, für mich  dagegen war es eine riesige Erleichterung.  Und  so kam es, dass ich auf Geheiß des Obersten Armegeneral Herrn Hoffman  nach Schwedt verlegt wurde. An dieser Stelle noch einmal an alle Leidensgenossen mit Spaten , die mir beistehen wollten,  ein Dankeschön. Es war eine Wohltat für mich  anzusehen, wie schlappohrig und ohnmächtig die Genossen Pickelträger  doch waren, wenn ihre Soldaten  nicht mehr funktionieren. Auch wenn es nur ein kurzer Moment war , aber so zeigte er allen , welche Kraft in uns steckte . Kurz darauf wurde ich abgeholt und auf einen LKW verladen, der mich nach Schwedt bringen sollte. Noch auf dem Gelände in Doberlug zeigte mir einer der auf dem LKW anwesenden pickelkranken Reservisten  seine Pistole. Er "wollte nicht davon Gebrauch machen müssen", sagte er mir.  Ich habe ihn nicht gelobt für seine Tat. 
Von Schwedt gibt es nicht viel Sonderbares zu berichten. Ich kann mich noch erinnern an einen Herrn  König,  der verteilte die Bettwäsche und  ließ uns besonders beim sonntäglichen Duschen nicht aus den Augen. Der konnte zwar laut schreien, aber für die nationale Verteidigung taugte dieser genauso wenig,  wie ich. Ein höherer Offizier, diesmal einer mit goldenen Sternen auf der Schulter verlangte von mir, dass ich meine Bausoldatenschulterklappen ablegen sollte, ich habe ihm im Gegenzug   gleich meine ganze Uniform angeboten.  Letztendlich durfte ich meine Schulterklappen weiter tragen. Das  war auch ganz gut so für mich. Die sollten mich  vor diversen Übergriffen  einiger der dortigen Bediensteten  schützen. Und auch daran kann ich mich noch  erinnern, dass wir für den  kapitalistischen  Markt ( England)  Kabellampen hergestellt haben. Das  hat Spaß gemacht, auch wenn die Arbeit  ganz schön blöd organisiert war.  Ich weiß nicht mehr genau, wie viele  Tage ich in der dortigen Arrestzelle verbracht habe. Einmal waren es sogar 3 Tage zusammen.  Ich sollte angeblich die Mitgefangenen aufgehetzt haben,  bei den Mahlzeiten  die laut Dienstvorschrift festgelegten  Zeiten  einzuforden. Immerhin,  wir waren zwar Gefangene, aber keine Tiere. Jedenfalls wurden von diesem Tag an die Essenzeiten  von durchschnittlich 5 Minuten  auf  genau 20 Minuten angehoben.  Ich war stolz auf mich, hier in Schwedt in der Disziplinierungseinheit eine Marke gesetzt zu haben. Zum Schluß wurden die , die mich „disziplinieren“ sollten , selbst diszipliniert.  Am Tage meiner Entlassung lernte ich den  obersten Chef von Schwedt kennen – ich glaube , die anderen nannten ihn Albig oder Albino  oder so ähnlich. Der hat sich tatsächlich bei mir beschweren wollen, warum in meinen Akten nicht drinnen steht, warum ich denn  nach Schwedt delegiert worden bin. Bei dem  anschließenden  Wortgerangel  rastete der Mann dann völlig  aus. Wie will so einer  den Frieden schützen , fragte ich mich - der steckte voller Hass. Fast hätte er mich noch dort behalten ,  aber ich hatte ja schon einen nächsten Termin. . . .erst noch einmal nach Doberlug und dann nach Prora . Hurra dachte ich zuerst, so viele Knallköpfe auf einen Haufen. Nein,  nicht die mit den Spaten auf der Schulter. Nette Leute waren dabei, aber es blieb nicht viel Zeit , sich näher kennen zu lernen.  Ein paar Tage habe ich in Mukran gearbeitet und dann musste  ich schon wieder in den Arrest in Dranske  ( 10 Tage) . Ich weiß schon gar nicht mehr warum. Und so kam es dann noch ein weiteres Mal, noch 2 Wochen hätte ich nachzudienen. Ich durfte   aber nicht mehr zu meiner Einheit , ich wurde direkt aus einer Arrestzelle,  diesmal in Sellin aus dem Friedensdienst entlassen.
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28.1.2016
S. F.     
(E-Mail-Nr.: 356)

Was mich hier etwas wundert, es gibt fast keine Kommentare oder Beiträge zu den Startpostings?
Zu diesem Beitrag hier von dem Herrn Uwe Lembcke kann man nur sagen, wenn damals viele jungen Menschen so cool und abgeklärt gewesen wären, wie er sich selber darstellt, wäre das System schon nach weniger als 5 Jahren zugrunde gegangen oder nicht so pervers ausgeartet.
Aus der Distanz zu einer langen Zeit davor kann man im Nachhinein natürlich ganz locker von der Leber weg philosophieren, und alles sehr lustig und einfach von damals darstellen!
Jedoch war damals wie heute das normale Leben und damit die Einstellung sehr viel anders, als man es heute mit dem Abstand zu damals betrachten kann.
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