Marie-Luise Sehn (Schülerin) E-Mailadresse Nr. 35



Vorwort

„Kraft durch Freude“ – DAF

Geschichtlich- geografischer Abriss: „Der Koloss von Prora“

Militärische Nutzung
Vom Urlauberparadies zur Kaserne
Bausoldaten – Eine Besonderheit im Warschauer Pakt
Einzelschicksale – Interviews mit ehemaligen    
Bausoldaten

Nachmilitärische Nutzung
Von der Kaserne zum Jugendparadies
Versuche der Erhaltung eines Geschichtszeugnisses
Mein Einsatz für Dokumentation - Aktuelles

Zusammenfassung

Anhang

Literaturverzeichnis


.........................................................................................................................................................................

1.Vorwort

Meine Facharbeit „Bausoldaten im Koloss von Prora“ ist ein Thema, welches viele Menschen in der DDR betroffen hat. Jedoch hat die Bearbeitung dieser Geschichte vor allem auf Rügen kaum stattgefunden. Erste Anfänge sind erst ab ca. 2005 zu verzeichnen.
Das Anliegen dieser Arbeit ist nicht unbedingt die umfassende Darstellung der Geschichte der Bausoldaten in der DDR, sondern von Zusammenhängen innerhalb des gesellschaftlichen Systems, von Unterdrückung von „Andersdenkenden“, die mit dem politischen System der DDR nicht einverstanden waren und von Nicht- Bewältigen- Können des Erlebten anhand von Einzelschicksalen. Es wird dargestellt, wie aber ein Befragter sein Schweigen bricht, und mir sein Erlebtes schildert, was er bisher noch keinem erzählt hat.
Mit meiner Arbeit möchte ich mich für die Aufarbeitung und Dokumentation dieses Themas einsetzen.

Bevor ich zum Hauptthema, den Bausoldaten, komme, werde kurz auf die DAF, KdF und die Baugeschichte des „Koloss von Prora“ eingehen, da dies zum Verständnis der Arbeit erforderlich ist.

.........................................................................................................................................................................

2. „Kraft durch Freude“ - DAF

Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) war eine Massenorganisation in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie bestand von 1933- 1945. Ihre Aufgabe war, die Freizeit der deutschen Bevölkerung zu gestalten, zu überwachen und damit „gleichzuschalten“: Die Kontrolle am Arbeitsplatz schien der NS- Führung nicht zu genügen. Deshalb sollten alle Menschen ihre Freizeit unter Anleitung und Kontrolle der nationalsozialistischen Führung verbringen. „Kraft durch Freude“ war eine Unterorganisation der DAF. Mit dem Amt für Reisen, Wandern und Urlaub, das Land- und Seereisen veranstaltete, war KdF zugleich der größte Reiseveranstalter im Dritten Reich. Robert Ley, der Leiter der Arbeitsfront, (Bild 18) gab später an, den Anstoß für „KdF“ habe ein „Führerbefehl“ gegeben: „Ich will, dass dem Arbeiter ein ausreichender Urlaub gewährt wird und dass alles geschieht, um ihm diesen Urlaub sowie seine Freizeit zu einer wahren Erholung werden zu lassen. Ich wünsche das, weil ich ein nervenstarkes Volk will, denn nur allein mit einem Volk, das seine Nerven behält, kann man wahrhaft große Politik machen.“ ¹
Um dieses Ziel zu verwirklichen, war geplant, u.a. große Urlauberschiffe auf Nord- und Ostsee einzusetzen und mehrere „Seebäder der Zwanzigtausend“ zu errichten. So auch in Prora.

 

¹ „Der Koloss von Prora auf Rügen“, Joachim Wernicke und Uwe Schwartz ; Seite 25

.........................................................................................................................................................................

3. Geschichtlich- geografischer Abriss: „Der Koloss von Prora“

Der Binzer Ortsteil Prora liegt auf der Ostseeinsel Rügen zwischen den Orten Sassnitz und Binz (Bild 1) an der Prorer Wiek, einer weitläufigen Meeresbucht, auf der so genannten Schmalen Heide, einer bewaldeten Hügelkette, die den Kleinen Jasmunder Bodden von der Prorer Wiek trennt. Die Küste der Schmalen Heide bietet einen langen flachen Sandstrand, der von Binz bis zum neuen Fährhafen Sassnitz im Ortsteil Neu Mukran reicht und ideal für die Errichtung eines Seebades war. Der Bereich zwischen Gebäuden und Küste ist heute mit Kiefern und niedrigem Gebüsch bewachsen. (Bild 2)
Das Gebäude des Seebades Prora – der sogenannte „Koloss von Prora“ - erstreckt sich über eine Länge von etwa 5 km in einem Abstand von ca. 150 m zum Strand und ist somit das längste Gebäude Europas. (Bild 4)

Zur Geschichte des „Koloss von Prora“ und vor allem des Block V:

Im Juli 1935 wird der Bau von fünf KdF- Seebädern mit einem Beherbergungsvermögen von je
20.000 Personen an der Ostsee bekannt gegeben. (Bild 3) Außer Prora waren als Standpunkte vorgesehen: Timmendorfer Strand, Kolberg und Ostpreußen.
Die Arbeiten am ersten von diesen fünf Seebädern beginnen 1936 in Prora. Der Entwurf des imposanten Bauwerkes stammt von Clemens Klotz (Kölner Architekt) (Bild 19), der den ausgeschriebenen Wettbewerb mit seinen Plänen gewonnen hatte. Der Bau verlief schleppend. Nach der Grundsteinlegung geschah ein halbes Jahr lang nichts und erst im November begannen die Arbeiten richtig.
Im Jahr 1937 wird das Modell in Paris präsentiert und mit dem Grand Prix ausgezeichnet.
Zwischen 1936 und 1939 werden acht Gästeblöcke als Rohbau errichtet.
Durch den Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 wurden die Arbeiten am Seebad eingestellt. Nach Kriegsende werden Teile des Rohbaus demontiert, gesprengt und für die Reparationen an die Sowjetunion verwendet.

.........................................................................................................................................................................

4.Militärische Nutzung
4.1.Vom Urlauberparadies zur Kaserne

Die 2. Artillerie- Brigade der Roten Armee zog von 1945- 55 in das Gebäude ein. (Bild 15) Auch Flüchtlinge wohnten in Prora. Enteignete Grundbesitzer aus Thüringen quartierte man ebenfalls
ein. Aus Sicherheitsgründen wurde durch die deutschen Behörden der nur bis zum vierten Stockwerk fertiggestellte IV. Unterkunftstrakt gegen Ende der vierziger und  bis Anfang der fünfziger Jahre gesprengt.
Ab Herbst 1950 erfolgten Ausbauarbeiten zum Militärobjekt durch Angehörige kasernierter Einheiten der Deutschen Volkspolizei. Von 1952 bis 1953 waren bis zu 12000 Soldaten der Kasernierten Volkspolizei (KVP) in einer Zeltstadt untergebracht, um das weitläufige Objekt zu sichern und die Gebäude für die neue Nutzung in einfacher, fast behelfsmäßiger Weise auszubauen.
Am 1. März 1956 wurde die Nationale Volksarmee der DDR (NVA) gegründet. Bis 1962 war die NVA eine Freiwilligenarmee. Nach Einführung der Wehrpflicht lag die Personalstärke der NVA bei ca. 170.000 Soldaten. In Prora wurden insgesamt rund 5000 Bausoldaten im Block V einquartiert. (Bilder 7, 8)

Von 1962- 81 wurde das Fallschirmjäger- Bataillon 5 in Block V stationiert. (Bilder 5, 6)
In den Jahren 1983- 90 nutzte das Pionierbaubataillon „Mukran“ der NVA das Gebäude. (Bild 9- 13)
Ab 1983 wurden Verweigerer der Waffe (siehe 4.2.) in den drei oberen Etagen von Block V untergebracht. Sie wurden vor allem zum Bau des Fährhafens Mukran eingesetzt. Seine Errichtung machte sich erforderlich, da Polen aufgrund seiner politischen Entwicklung ein zu unsicheres Transitland zwischen der DDR und der Sowjetunion geworden war. Der Hafen Mukran ist der einzige europäische Hafen, welcher über Gleise in russischer Breitspur verfügt. Ein Umspuren der Waggons beim Be- und Entladen kann somit entfallen.
Infolge der politischen Veränderungen in der DDR kam es von 1989- 90 zu Auflösungstendenzen in Prora: Die Bausoldaten wurden im zivilen Sektor eingesetzt und  die Einheit 1990 aufgelöst.
Zwischen 1990- 92 wehte die bundesdeutsche Flagge am Kontrolldurchlass. Prora war der Bundeswehr unterstellt. Bis Ende 1992 wurde Prora als Militärstandort endgültig aufgegeben. Bildliche Darstellung war immer noch streng untersagt.

.........................................................................................................................................................................

4.2.Bausoldaten- Eine Besonderheit im Warschauer Pakt

Der Warschauer Pakt bestand von 1955 bis 1991 und war ein militärischer Beistandspakt des Ostblocks unter der Führung der Sowjetunion. Das Militärbündnis sozialistisch-kommunistischer Staaten, die in einem jeweils mit der Sowjetunion abgeschlossenen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand (VFZ) weitgehend auf eine eigenständige Außenpolitik („Breshnew- Doktrin“) verzichteten, war als Militärbündnis der Gegenspieler der NATO im Kalten Krieg zwischen Ost und West.
Der dem Warschauer Pakt zugrundeliegende Vertrag wurde am 14. Mai 1955 durch acht Staaten in Warschau, Polen, unterzeichnet.
Der Vertrag wurde am 26. April 1985 letztmalig um 25 Jahre verlängert. Er wurde jedoch aufgrund der politischen Veränderungen im Ostblock 1991 gekündigt und das Militärbündnis löste sich am
1. Juli 1991 auf.
Am 24. Januar 1962 wurde in der DDR die Wehrpflicht eingeführt. Aus der Sicht des Verteidigungsrates war die NVA in der DDR das Machtinstrument der Arbeiterklasse zum Schutz und zur Sicherung der sozialistischen Errungenschaften vor Angriffen von außen. Demnach diente sie der Verteidigung der DDR und der im Warschauer Vertrag mit ihr verbündeten anderen sozialistischen Staaten gegen eine eventuelle imperialistische Aggression durch die NATO oder einzelne Staaten.

Ein ziviler Wehrersatzdienst war in der DDR bis 1964 nicht möglich. Insbesondere auf Drängen der Kirchen wurden innerhalb der NVA durch Beschluss des Nationalen Verteidigungsrates vom
7. September 1964 die so genannten Baueinheiten geschaffen, in denen eine Ableistung des Wehrdienstes ohne Waffe als Bausoldat möglich war.
Aufgrund einer Initiative des Quäkers, Pazifisten und Pfarrers Emil Fuchs und  mit Unterstützung der Kirchen wurde diese einzige Möglichkeit, den Dienst an der Waffe zu verweigern, geschaffen, die es in keinem anderen sozialistischen Land, sondern nur in der DDR gab. Auch diese Sonderform des Wehrdienstes betrug 18 Monate. Die Uniform enthielt einen kleinen Spaten auf den Schulterklappen (Bild 16), so dass sich die Verweigerer untereinander als Spatensoldaten bezeichneten.
Bis zum Beginn der achtziger Jahre ließen sich vor allem junge Männer, die den Dienst mit der Waffe aus pazifistischen Gründen ablehnten und dies mit ihrer christlichen Weltanschauung begründeten, als Bausoldat mustern. Gegen Ende der DDR nahm die Zahl derer, die ihren Wehrdienst als Bausoldat ableisteten und dafür lediglich oppositionelle Gründe anführten, stark zu. Dies hatte teilweise enorme Auswirkungen auf den Zusammenhalt der Bausoldaten in der Kompanie und auf den Zimmern. Häufig entfielen somit, wenn auch vorher schon verboten gewesener, christlicher Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung.
Bausoldaten wurden in der Regel während ihrer Dienstzeit von anderen Wehrpflichtigen, so gut es ging, getrennt, ein Kontakt zwischen „normalen“ Soldaten und Bausoldaten wurde nach Möglichkeit unterbunden. Bausoldaten mussten während ihrer Dienstzeit, aber auch danach, mit Schikanen rechnen.
„Kürzlich haben sie erst einem, der schon in Ausgehsachen und mit gepackter Tasche beim Urlaubsappell stand, eine vierwöchige Urlaubs- und Ausgangssperre erteilt.“ ²
Ein Dienst als Bausoldat hatte negative Auswirkungen auf die Ausbildungschancen. Der gewünschte Studienplatz blieb Bausoldaten meist verwehrt. Als sogenannte Staatsfeinde war für sie in der Regel nur eine Hochschulausbildung im kirchlichen Bereich möglich. Die Zeit der besonderen Schikanen durch die Vorgesetzten hat manche Bausoldaten schwer traumatisiert und eine Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte, ein Erzählen über ihren Wehrdienst und ein Bereisen der Orte ihrer damaligen Stationierung ist ihnen bis heute nicht möglich. Die Kaserne in Prora war eine der berüchtigtsten Militärobjekte der DDR. Dies wird auch deutlich an dem Proraer Bausoldatenspruch: „Drei Worte genügen – Nie wieder Rügen.“

 

² „Hinterm Horizont allein- Der „Prinz“ von Prora, Erfahrungen eines Bausoldaten“, Stefan Wolter,
S. 238

.........................................................................................................................................................................

4.3. Einzelschicksale - Interviews mit ehemaligen Bausoldaten

Prora

Prora, nur ein Wort,
bezeichnet nur einen Ort an der Küste.
Und war doch die Welt.
Prora, was steckt in diesem Wort für Schmerz
Hass und Wut.
Alles grau, die Erinnerung
Gesichter ohne Worte
Keine Stimmen, kein Ton
Kein lachen,
kein weinen 
kein schreien in der Nacht
kein loslassen.
Aber so viele Leben.
Die Erinnerung ist stumm.
Prora nur ein Wort,
Inbegriff aller verschwendeten Lebenszeit
Und immer wieder geboren in meinen Träumen.
Marschieren,
nachts die langen Gänge
mit den Schlafenden hinter den grauen Türen.
Einsamkeit unter so vielen.
Prora, das Ungeheuer geschaffen um Seelen zu fressen
an jenen Tagen.
Prora nur ein Wort,
ich lebe
und versuche
dich zu vergessen!
Prora
                                                                       Thomas Brösing


Dieses Gedicht sagt sehr viel über das Geschehen von Damals aus. Der Autor beschreibt mit wenigen Worten, wie sich die ehemaligen Bausoldaten fühlen, wenn sie an  diese Zeit zurückdenken und es nicht verarbeiten können.

.........................................................................................................................................................................

Wann wurden Sie eingezogen?
Am 5.11.1985
Ich wurde am 14.11.1989 eingezogen.
Anfang November 1982

Wie alt waren Sie damals?
Kurz vor meinem 26. Geburtstag wurde ich eingezogen.
Ich  bin 1966 geboren.
19 Jahre.

Wie empfanden Sie die Zeit unmittelbar vor der Einberufung?
Die Zeit vor meiner Einberufung war schrecklich. Es war bei mir ein Gemisch aus Angst und Stress. Stress deshalb, weil ich wegen der Einberufung meine Nebenwohnung räumen musste, [...], weil sie zu nahe an der Grenze zum Westen
war. [...]
Ich war also gezwungen, meine Habseligkeiten bei anderen Leuten auf die Oberböden zu verteilen. Nur ein paar Pakete mit Zivilkleidung deponierte ich bei meinen Eltern.
Obwohl ich den Urlaub während meiner Armeezeit bei meinen Eltern verleben konnte, fühlte ich mich trotzdem heimatlos. Meine Sachen und Möbel waren irgendwo verteilt und ich konnte sie in dieser Zeit nicht nutzen.[...]
Ich habe Grund zur Annahme von der Stasi vor meiner Einberufung beschattet worden zu sein. Die Atmosphäre war bedrückend und meine Freundin war hoch schwanger. Man hatte mir gleich gedroht mich erst ein zu berufen wenn ich eine Familie gründen möchte.
Ich hatte bis zur Ankunft in Prora keinerlei Ahnung, was mich erwartete. [...]
Die Behörden und die Funktionäre in den Betrieben versuchten alles zu unterdrücken, was irgendwie nach Friedensbewegung aussah. [...]

Wie lange waren Sie in Prora stationiert?
Bis zum 29.4.1987 (1½ Jahre)
Ich hatte Glück, durch die Wende war ich gerade mal 2 Monate dort.
Dann wurde ich nach Berlin versetzt.
18 Monate
  

Wie viele Leute waren in Ihrem Zimmer? Wie war der Zusammenhalt?
In den relativ engen Zimmern waren jeweils 6 Bausoldaten untergebracht.
Der Zusammenhalt im Zimmer war für mich ein Trost, obwohl man natürlich nicht immer der gleichen Meinung war. Insgesamt war die gegenseitige Unterstützung unter den Bausoldaten sehr ausgeprägt. [...]
Wir waren mit 6 Leuten auf einem kleinem Zimmer. Der Zusammenhalt war gut wenn gleich man niemandem trauen konnte.
Wir waren wohl die erste große Baukompanie mit ca. 160 Leuten. untergebracht in Zimmern zu je 6 Mann (auf einer Fläche von ca. 24 m²) der Zusammenhalt war grundsätzlich gut, es gab ein klares Feindbild (alles was nach Offizier aussah), sicher ging man sich bei der Enge und den psychischen Belastungen auch gelegentlich auf die Nerven.

Was mussten sie für Arbeiten verrichten?
Etwa die Hälfte meiner Bausoldatenzeit musste ich mit Hacke, Schaufel und „Spaten“ Kabelgräben und Fundamentgruben für Strommasten ausschachten. Relativ kurze Zeit wurde ich als Heizer eingesetzt. Bei dieser Arbeit wurde auch in Schichten gearbeitet. Mehrere Monate war ich als „Anschläger“ beschäftigt. Bei dieser unbeliebten und gefährlichen Arbeit mussten unter anderem große Mohlensteine (Felsbrocken) verladen werden. Auch hierbei wurde manchmal nachts gearbeitet. Etwa 4 Monate lang hatte ich einen sehr kuriosen Job. Ich musste für zivile Baumeister Kaffee kochen. Als so genannter „Kaffeekocher“ musste ich auch die Baucontainer mit sauber halten. (Wischen, Toiletten reinigen …) Hinzu kommen noch diverse Sondereinsätze außerhalb von Mukran.  z.B. Schnee schippen, Eisenbahnwaggons entladen, Kabelgräben ausschachten …
Auch da hatte ich Glück, ich mußte weder nach Mukran noch eine andere
schlechte Arbeit machen. Ich habe im Objekt Erdarbeiten für neue KFZ Hallen gemacht.
½ Jahr habe ich mit meiner Arbeitsgruppe (ca. 10 Mann) auf dem Bahnhofsgelände in Binz hauptsächlich Erdarbeiten ausgeführt,[...].
1 Jahr war ich mit ca. 25- 30 weiteren Bausoldaten einer zivilen Baubrigade angegliedert und habe als Anschläger gearbeitet. [...]


Hatten Sie mal das Gefühl, dass diese ganze Sache keinen Nutzen hat?
Ich hatte während der gesamten Armeezeit das Gefühl, dass es für mich verlorene Zeit ist. Meine Motivation war deshalb sehr gering.
Da wir damals noch nicht wussten, dass aus Mukran einmal ein normaler ziviler Hafen wird, hatte ich sogar das Gefühl, dass ich mit meiner Arbeit einen Krieg unterstützen könnte. Insgesamt hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich die Armee nicht total verweigert hatte.
Ja klar! Welche nutzen sollte mein Aufenthalt dort haben. Wir wurden Kanonenfutter für normale Soldaten genannt.
Irgendwann mal sicher ja.
Die praktischen Arbeiten auf den Baustellen waren in der Regel im Großen und Ganzen sinnvoll. Hier waren wir zumeist unter zivilem Kommando.
Es stand natürlich immer die Frage im Raum, warum gerade wir, fern der Heimat solche Arbeit tun mussten. Durch entsprechenden Technik- Einsatz wäre vieles sicher schneller und auch kostengünstiger gemacht worden... aber die Mangelwirtschaft konnte diese Maschinen nicht bereitstellen. Anders der  Drill in der Kaserne: der Nutzen des Gleichschrittmarschierens zum Essen, des Gangputzens mit Seesand, des Bohnerns der „Zellen“, das Befolgen von nichteinsehbaren Dienstvorschriften, des Schikanierens wegen Bagatellverstößen, der endlosen Apelle, der generellen Unmündigkeit, der Verbote Radiosender westlicher Demokratien zu hören.... des wenigen Urlaubs  (diese Aufzählung ließe sich noch erheblich verlängern) erschließt sich dem „Nichtmilitär“ grundsätzlich nicht.   


Wie würden Sie Ihre Gefühle während der Armeezeit beschreiben? (Heimweh, Wut, Abstumpfung, Aggression...)
Wie oben schon erwähnt, fühlte ich mich vor allem heimatlos, ausgestoßen, eingesperrt.
Natürlich empfand ich auch Hass auf die, die mir so etwas antaten. Je länger ich in Prora war, umso mehr kam auch Abstumpfung hinzu.
Alles! Ich verdränge diese Zeit bis Heute. Einschneidendes habe ich dort erlebt. ZB. Wurden Soldaten die angetrunken waren mit der Pistole bedroht weil sie einem Unteroffizier nicht gehorsam Zeugen wollten. Die Waffe war nur wenige Zentimeter von meiner Nase entfernt. Oder ich musste mit ansehen wie meine Post aus dem Postkasten gesucht wurde. Vermutlich hat die Stasi im Objekt meine Briefe geöffnet.
Über Gefühle zu reden, fällt mir schwer, sicher war von jedem etwas dabei, aber es gibt kein „Hauptgefühl“ Ich war 19,  hatte noch keine Familie, keine Verpflichtungen, sah manches eher sportlich, konnte mich einigermaßen mit den Umständen abfinden, man hatte ja keine wirklich andere Wahl. Ich hab viele interessante Leute kennen gelernt, mitunter gute Gespräche und auch einigen Spaß gehabt. [...] Die verbleibende Zeit wurde mit sehr viel Lesen, Schreiben , musizieren (Jazz) gefüllt. Habe durch den damaligen Briefwechsel meine heutige Frau kennen gelernt.


War das Meer und die Natur ein Trost?
Ja, sehr! Ich saß manchmal stundenlang am Fenster und schaute auf die Ostsee. Wenn ich die Fähre von Saßnitz nach Schweden abfahren sah, hatte ich auch manchmal Tränen in den Augen.
Für mich war das Meer ein Symbol für die Freiheit und ist es bis Heute.
Eindeutig ja, Nach der Anreise, der Einkleidung, den ersten Kontakten mit dem militärischem Drill kam ich völlig unvorbereitet in das Zimmer im 5. Stockwerk mit dem grandiosen Blick auf das Meer, die Bucht von Saßnitz bis Binz, das war mehr als nur Trost. Offiziell Baden waren wir während der Zeit nur ein Einziges mal Die Ostsee war ja Grenzgebiet, da gab es für´s Baden Regeln, die eher an Knast erinnerten...  [...]das Baden auf der Baustelle war eine kleine Freiheit, die wir uns einfach nahmen. Man durfte sich nur nicht erwischen lassen.

Wie haben Sie die erste Zeit nach der Entlassung erlebt?
Stress, Stress, Stress … [...] Es blieb mir nur wenig Zeit, die Erlebnisse aus der Bausoldatenzeit aufzuarbeiten.
Wie ein Traum, ich fand mich nur schwer im Leben zurecht.
Spannend, ich hatte trotz Wehrersatzdienst einen Fachschulstudienplatz erhalten (mit Delegierung meines Betriebes) habe aber bis zum Beginn des Studiums noch in meinem Beruf gearbeitet, bin ich viel Rad gefahren, hatte mich um eine eigene Wohnung gekümmert ( Ausbau einer Dachwohnung in einer KWV Ruine) usw.


Waren Sie jemals wieder in Prora?
Ja, bisher 3 mal. Das erste Mal 1992 auf der Durchreise nach Schweden! Das war eine große Genugtuung, von der Schwedenfähre auf Prora zu schauen. Mit dieser Fähre mitfahren zu dürfen, das wünschte ich mir während der Bausoldatenzeit so oft. 1998 besuchte ich Prora während eines Familienurlaubs auf Rügen. Am 29.4.2007 war ich dann wieder in Prora, um sozusagen mein 20. Entlassungsjubiläum zu feiern. Erstaunlich war dabei, dass ich dort ganz zufällig 6 weitere ehemalige Bausoldaten aus meiner Kompanie wieder traf. Das brachte mich auch auf die Idee, die Internetseite einzurichten.
NEIN Ich würde wohl zu weinen anfangen wenn ich es täte.
Ja, bereits 2x


Welche Gefühle bewegen Sie, wenn Sie heute an Prora denken?
Vor allem Genugtuung und Freude, dass das DDR-System nicht mehr existiert und dass es auf Rügen kein Militär mehr gibt.
Es ärgert mich sehr, dass heute in Prora (besonders im NVA-Museum) nicht angemessen an die Schicksale der vielen Bausoldaten erinnert wird. Immerhin wurde mir dort ein Stück meiner Jugend gestohlen.
Also mir kommen einfach so die Tränen wenn ich an Prora denke.
Ich hatte ja nicht geahnt in welcher Gefahr ich dort gewesen bin.
Die Prora Seite im Netz hat mich von vielem erst erfahren lassen.
Ich habe übrigens den Wehrdienst mit der Waffe aus Ethisch/Moralischen gründen abgelehnt und wurde ab dieser Zeit (ca.1986) immer wieder von der Stasi bedroht.
Ich wurde angesprochen und auch nur auf der Straße verfolgt.
Mann drohte mir mit dem Gefängnis und Schwierigkeiten im Beruf.
Zuerst Dankbarkeit dafür, dass man diese Zeit körperlich und seelisch unbeschadet überstanden hat, dass es im Grunde Friedenszeit war, dass man viele wertvolle Menschen kennen lernen durfte, Freude über die herrlichen Sandstrände, das leicht hügelige Terrain, die abwechslungsreiche Natur, der weite Blick auf´s Meer   aber aus Sorgen: Das Gelände und der Gebäudekoplex ist betoniertes Zeugnis unterschiedlicher Diktaturen. [...]

Für das Interview habe ich drei ehemalige Bausoldaten befragt. Die Antworten wurden wörtlich übernommen, jedoch ggf. sinnwahrend gekürzt. Die Namen der Befragten sind Tobias Bemmann (T. B.:), A. B. (A. B.:) und Uwe Biermann (U. B.:)

1.
T.B.
A.B.
U.B.

2.
T.B.
A.B.
U.B.

3.
T.B.








A.B.



U.B.



4.
T.B.
A.B.

U.B.


5.
T.B.



A.B.

U.B.





6.
T.B.










A.B.


U.B.





7.
T.B.





A.B.

U.B.














8.

T.B.



A.B.




U.B.








9.
T.B.


A.B.
U.B.







10.
T.B.

A.B.
U.B.





11.
T.B.







A.B.
U.B.


12.
T.B.




A.B.






U.B.




 

.........................................................................................................................................................................

5.Nachmilitärische Nutzung
5.1.Von der Kaserne zum Jugendparadies

Von 1993- 94 wohnten Asylbewerber im Block V. Im darauffolgendem Jahr stand der Block V leer, das Mobiliar war aber noch fast vollständig erhalten. (Bilder 12, 14)
Der Baustab (unter der zweiten Baukompanie gelegen) war bereits völlig verwüstet. Doch nun wurde Prora endlich ein frei zugänglicher Ort - für die ehemaligen Bausoldaten ein unvorstellbares Gefühl. Zahlreiche Inschriften an den Wänden berichten bis heute von ihren  Erlebnissen. Ab 2000 wurde der Block V geplündert und zerstört. Die Fenster und Türen blieben aber in den oberen Geschossen noch weitgehend intakt. Zäune wurden abgebaut, das Tor zum Gelände verschwand.
Im Bereich des Blocks V fand 2003 das erste „Jugendevent Prora 03“ statt, eine Veranstaltung, an der Tausende von Jugendlichen teilnahmen. Im Vorfeld wurde der Block vollständig ausgeräumt und somit zur Ruine „hergerichtet“ (Bild 42). Das Gebäude war von nun an dem Verfall preisgegeben. Im selben Jahr fand sich ein Investor, der den Rahmenplan "Prora- Mitte" umsetzen wollte. Der Betreiber des Eisenbahn- und Technikmuseums Rügen, Herr L. Guttwein bemühte sich um den Kauf des Museumsblocks und erhielt vor Weihnachten 2003 den Zuschlag. Kaufverhandlungen begannen seit Januar 2004 mit folgenden Einrichtungen: Disco M3, Museum TierReich, Museum Prora und NVA- Museum. Herr Kurt Meyer von der KulturKunststatt stellte anfänglich ebenfalls einen Kaufantrag für die Flächen seines Museums, lehnte aber seit März 2004 jegliche Verhandlung mit Herrn Guttwein ab. Bemühungen der Landrätin zu vermitteln, scheiterten. Im April trat Herr Guttwein vom Kaufvertrag zurück. Ziel ist es, im Block III durch Fremd-Investoren und Fördermittel behindertengerechte, jugend-bezogene und sozial orientierte Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen, dabei aber nur die KulturKunststatt zu erhalten. Das Museum Prora, das Grafikmuseum, das TierReich, das Museum "Planet DDR", die Ausstellung der Stiftung "Neue Kultur", "MachtUrlaub" und die Künstlerateliers sollten zusammen auf einer kleineren Fläche ( ca. 1/6 der Anfang 2005 tatsächlich genutzten und notwendigen Flächen) außerhalb ihrer jetzigen Räume und abgeschnitten von den Besucherströmen als Untermieter der KulturKunststatt weiterarbeiten können. Die um ca. 700 qm erweiterte  KulturKunststatt des Eigentümers soll als "All in One - Museum"  marktbestimmend in zentraler Lage das vielschichtige Angebot der jetzigen Museumslandschaft ersetzen. Diese sollte Platz machen für Hotels und hotelartige Einrichtungen mit insgesamt 800 (bis 2000) Betten, ein für die Infrastruktur Rügens sehr fragwürdiges Unternehmen.
Seit dem Frühjahr 2005 existieren Pläne des Landkreises Rügen, den Block V für eine dauerhafte Jugendherberge zum Zweck der Sicherung weiterer „Events“ vor Ort zu erwerben. Ein Jahr später fand das „Jugendevent Prora 06“ statt. Die Museen in Prora wurden zum 01.11.2006
geschlossen. Nur das NVA- Museum blieb erhalten. In diesem finden sich keine Zeichen, dass es die Bausoldaten je gegeben hat. Man merkt den Versuch der Vertuschung der Geschehnisse von damals deutlich, da die Gründer des Museums  offenbar ehemalige NVA- Offiziere sind. Im September kaufte der Landkreis den Block V vom Bund zum symbolischen Kaufpreis von einem Euro.
Im Jahr 2007 entstand ein Campingplatz im Gelände vor Block V (Bilder 44, 45). Die Überreste der Tribüne wurden zurückgebaut, aus dem Boden zahlreiche Altlasten geborgen. Dies verzögerte die Eröffnung des Zeltplatzes um fast zwei Monate, ihr Auffinden aber wurde scheinbar nirgendwo dokumentiert. In Block V nahm man umfangreiche Bauuntersuchungen vor. Die Bausubstanz des Blocks befindet sich teilweise in einem  schlechten Zustand. (Bild 43) Viele ehemalige Bausoldaten ergriffen die Möglichkeit, noch einmal ihre Zimmer aufzusuchen. Zahlreiche neue Inschriften entstanden im zeitweise zugänglichen Gebäude. (Bild 34)

.........................................................................................................................................................................

5.2.Versuche der Erhaltung eines Geschichtszeugnisses

Dr. Stefan Wolter, Historiker, ehem. Proraer Bausoldat und Verfasser des Buches „Hinterm Horizont allein- Der Prinz von Prora“, versucht seit Jahren beharrlich, für die Idee zu begeistern, in den langen Fluren der oberen Etagen von Block V eine Art Dokumentations- oder Erinnerungsstätte zu errichten, in der möglichst authentisch der stillen Helden von damals gedacht werden kann. „Erinnerung braucht einen Ort, an den sie sich knüpfen kann.“³ Er suchte entschlossene Verbündete und geeignete Strategien. Und er musste feststellen, dass es so manche Streitigkeiten mit Einzelpersonen und Gruppen, aber auch Behörden und arge Probleme mit Vandalismus gab.
Stefan Wolter hat sich einen idealen Raum für sein Vorhaben ausgesucht, den Klubraum im
Block V (Bild 40): Obwohl alle umliegenden Räume entkernt wurden, hat es Stefan Wolter geschafft, einen Baustopp verfügen zu lassen und so die Zerstörung zu stoppen. Er hatte sogar mit der Besetzung des Raumes gedroht. Der zuständige Bauamtsleiter Rainer Roloff genehmigte, dass die Tür zum Klubraum verbrettert (Bild 41) und so eine weitere Zerstörung des Raumes und der handgemalten Rügenkarte verhindert wurde.

Hier einige Ausschnitte seines Briefes:
[...]Sehr geehrter Herr Dr. Wolter,

Bezugnehmend auf unser [...] geführtes Gespräch in meinem Hause, kann ich Ihnen versichern, dass für das in Rede stehende Wandbild seitens des Landkreises die notwendigen Sicherungen veranlasst wurden (Verschließung der Tür mit OSB- Platten). [...]
Über diesen Sachverhalt habe ich den zukünftigen Nutzer, das Deutsche Jugendherbergswerk, bereits informiert, um in gemeinsamen Festlegungen, [...], eine allseitig befriedigende Lösung für den Betrieb der Jugendherberge zu entwickeln, die auch die berechtigten Interessen der von Ihnen vertretenen Betroffenen angemessen berücksichtigt.
[...]
mit freundlichen Grüßen
im Auftrag Roloff“


³ Der „Prinz von Prora“ im Spiegel der Kritik, 2007, S. 190

.........................................................................................................................................................................

5.3.Mein Einsatz für Dokumentation - Aktuelles

In den Herbstferien 2007 war ich auf Rügen. Da ich mich für die Aufarbeitung des Bausoldaten- Themas einsetzen möchte und weil ich nicht will, dass die Jugend nichts von diesem Geschehen weiß, wollte ich selbst versuchen, etwas näher an das Gebäude zu gelangen, da ich von verschiedenen ehemaligen Bausoldaten gehört habe, es seien noch viele Inschriften an den Wänden in Block V erhalten. Manche schrecklichen Dinge, die damals passiert sind, können selbst diejenigen nicht in Worte fassen, die sie selbst erlebt haben. Deshalb wollte auch ich den Ort des Geschehens besuchen, damit ich ein paar Eindrücke sammeln konnte.
Wachtrupps (Bild 27) fuhren mit Fahrrädern um die Blocks und verhindern somit, dass jemand ins Innere eindringt. An einem Tag war es unmöglich, ins Innere zu gelangen. Mindestens fünf Leute auf Fahrrädern bewachten das Gebäude. Somit konnte ich nur Fotos der Umgebung und der Fassade machen (Bilder 20 –25). An der Seeseite sah ich die alten Pfeiler, die die Rohrleitungen getragen haben. (Bild 30)
Einige Tage später fand ich eine halb offen stehende Tür und gelangte nun doch noch in das Innere des Gebäudes. Dadurch, dass im Erdgeschoss und im ersten Stockwerk die Fenster zugenagelt waren, war es stockfinster. Weiter oben konnte ich sehen, dass auch zahlreiche Jugendliche geschafft hatten, ins Innere zu gelangen. (Bilder 26, 28, 29, 31) In den oberen Stockwerken waren die Fensterflügel entfernt worden. (Bild 32) Wenn man zur Seeseite hin aus dem Fenster schaut, kann man das Meer und die Kiefernwälder sehen. Wie Uwe Biermann sagte: „[...]im 5. Stockwerk mit dem grandiosen Blick auf das Meer, die Bucht von Saßnitz bis Binz, das war mehr als nur
Trost.“ (siehe Interview)
Die Treppen, die für manche Bausoldaten der Ort des Selbstmordes waren, schlängelten sich scheinbar endlos nach oben. (Bilder 36, 37)
Ich stellte fest, dass bereits Fußböden und Wände herausgerissen und kleingehackt wurden (Bilder 38, 39). An den Wänden sind neue Elektrokabel, Lichtschalter und Steckdosen angebracht worden (Bild 35). Obwohl sich so viel in dem Block verändert hat, strahlt er immer noch etwas sehr Trauriges und Bedrückendes aus. Die endlosen Gänge sind wie früher geblieben (Bild 33): Erbarmungslos kalt und leer.
Dann fand ich die zugenagelte Tür. Durch einen Spalt konnte ich ins Innere fotografieren und bekam auch die oben erwähnte Karte mit aufs Bild.

Nach dieser Bestandsaufnahme überlegte ich mir, wie mein Einsatz für die Dokumentation des Geschehens aussehen könnte. Ich nahm Kontakt zu ehemaligen Bausoldaten auf und schrieb einen Brief  an die Landrätin des Landkreises Rügen, Frau Kassner:


Sehr geehrte Frau Kassner,

Ich besuche die 10. Klasse am Städtischen Gymnasium in Riesa, Sachsen.
Ich interessiere mich für das Thema Bausoldaten in Prora. Da ich auch jedes Jahr auf Rügen fahre, habe ich mir dieses Thema für meine Facharbeit gewählt. Ich habe über Rügen und Bausoldaten schon viel gelesen.
Für meine Arbeit habe ich mehrere ehemalige Bausoldaten gefunden, die mir für ein Interview viele Fragen beantworten und mir noch sonstige Informationen liefern. Ich habe schon mit einigen ehemaligen Bausoldaten aus Prora Bekanntschaft gemacht und habe bemerkt, dass diese die Zeit als Bausoldat noch nicht verarbeitet haben und dadurch dieses Thema immer noch sehr aktuell ist. Deshalb möchte ich nicht, dass diese Zeit und das Geschehen damals durch die anstehende Sanierung und den Umbau des Blocks V in Vergessenheit gerät und gerade in meiner Generation fast niemand etwas von Bausoldaten gehört hat.
Natürlich freue ich mich sehr, dass Sie sich schon für die Dokumentation eingesetzt haben und damit ein Schritt zur Verarbeitung dieser Zeit für viele ehemaligen Bausoldaten getan ist. Mit meiner Facharbeit möchte ich unveröffentlichtes Material zur Verfügung stellen, mich für die weitere Dokumentation einsetzen, weitere ehemaligen Bausoldaten zur Mitarbeit bitten und dieses Thema soweit wie möglich bekannt machen, da aus meinem und den umliegenden Bundesländern viele Bausoldaten in Prora stationiert waren, wie z. B.: Sachsen, Sachsen Anhalt und Thüringen.
Ich bitte Sie hiermit, sich im Rahmen Ihres Amtes weiter für die Dokumentation eines wichtigen Stückes deutscher Nachkriegsgeschichte einzusetzen.
Ich schicke Ihnen hiermit meine Facharbeit in der Rohfassung und bitte Sie um Kenntnisnahme und ein kurzes Votum, dass ich gern im Rahmen der Verteidigung meiner Facharbeit verlesen möchte.
     Mit freundlichen Grüßen

     Marie- Luise Sehn



Ich konnte nach meinem Aufenthalt auf Rügen einiges Aktuelles über Prora in Erfahrung bringen.

Am dritten Adventswochenende 2007 wurde im „Koloss von Prora“ ein Toter gefunden.
Es handelte sich um eine mumifizierte männliche Leiche, die von Jugendlichen „auf Erkundungstour“ entdeckt wurde. Weitere Untersuchungen ergaben, dass die Leiche ein Mann aus Zittau war, der sich mit einer manipulierten Schreckschusspistole vor Ort erschoss und seit 2004 vermisst wurde.
Meiner Meinung nach kann es ein ehemaliger NVA-Offizier gewesen sein, da er sich mit Waffen ausgekannt zu haben schien und mir nicht ganz klar ist, warum man sich sonst an so einem Ort erschießen muss, wenn nicht gerade etwas über sein früheres Verhalten bei der NVA an das Tageslicht gekommen wäre. Doch dies ist alles Spekulation meinerseits, also hoffe ich, dass weitere Ermittlungen mehr herausfinden.
Später habe ich erfahren, dass die Leiche in den gesprengten Ruinen des Gebäudes gefunden wurde.

.........................................................................................................................................................................

6. Zusammenfassung

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich durch meine Facharbeit erreicht habe, einen Bausoldaten über seine Erlebnisse zu berichten zu lassen, der bisher noch nicht darüber sprechen konnte. Des weiteren konnte ich mit der Landrätin in Kontakt treten. Sie sicherte mir ihre Unterstützung, besonders auch für die Verteidigung dieser Arbeit zu.  Es war für mich ein bewegendes Erlebnis,  selbst in einen normalerweise unzugänglichen Teil des Gebäudes gelangen.
Bei der Bearbeitung des Themas musste ich jedoch erkennen, dass es insgesamt schwierig war, Hintergrundinformationen über das Geschehen in Prora zu erlangen, da vieles hartnäckig verschwiegen bzw. verdrängt  wurde. In dem NVA- Museum gab es nur einen A4- Bilderrahmen, in dem etwas über die Bausoldaten geschrieben stand. (Bild 17) Der Waffendienst und die Geschichte der NVA werden in diesem Museum glorifiziert. Doch die Bausoldaten, die schikaniert und für fast unmenschliche Arbeiten eingeteilt wurden, die Mut brauchten, um die Waffe zu verweigern und somit Gefahr liefen, im späteren Leben keine guten Ausbildungschancen zu bekommen, werden nur am Rande erwähnt. Ihr Mut, in der sozialistischen Gesellschaft der DDR auf diese Weise für Frieden und Gewaltlosigkeit einzutreten, darf nicht vergessen bzw. verleugnet werden. Die Folgen dieses Einsatzes konnten nur exemplarisch an Einzelschicksalen dargestellt werden. Anfänge der Aufarbeitung dieses Kapitels der DDR- Geschichte finden sich auch im virtuellen Bausoldatenmuseum (www.proraer-bausoldaten.de), dem ich diese Arbeit zur Verfügung stellen werde. Dieser Prozess der Aufarbeitung bedarf aber der weiteren Mitarbeit von ehemaligen Bausoldaten, Offizieren, Anwohnern, Politikern und anderen Betroffenen. Ich hoffe, dafür mit dieser Arbeit einen Beitrag geleistet zu haben.

.........................................................................................................................................................................

8. Literaturverzeichnis

1. Wolter, Stefan; „Hinterm Horizont allein – Der ‚Prinz’  von Prora“, ‚Erfahrungen eines NVA- Bausoldaten’, Projekte- Verlag, 1. Auflage, Halle 2005

2. Wolter Stefan; „Der ‚Prinz von Prora’ im Spiegel der Kritik“, ‚Das Trauma NVA und WIR’, 1. Auflage, Halle 2007

3. Rostock, Jürgen und Zadniček, Franz; „Paradiesruinen“, ‚Das KdF- Seebad der Zwanzigtausend auf Rügen’, 1. Auflage, September 1992, Berlin

4. Richter, Holger; „Güllenbuch“, ‚Eine Bausoldatengeschichte’, Anderbeck Verlag, Prag 2004

5. Liersch, Hendrik; „ein FREIwilliger Besuch als Bausoldat in Prora“, amBEATion / Randlage, seit 1963

6. Broschüre „KulturKunststatt Prora – Begehungs- Leitfaden“ Hrsg.: KulturKunststatt

7. Broschüre „MACHTUrlaub“ Hrsg.: dokumentations-zentrum prora, Stiftung NEUE 
KULTUR

8. Wernicke, Joachim und Schwartz, Uwe; „Der Koloss von Prora auf Rügen“, Verlag Museum Prora, Verlag Langwiesche Königstein,  31. August 2003

9. Sächsische Zeitung, Artikel: „Schikane am Ostseestrand“ von Thorsten Preuss, Donnerstag, 20. Dezember 2007, Seite 3

6.   url: http://www.proraer-bausoldaten.de (Stand: bis 6. KW 2008)
url: http://www.wikipedia.org/wiki/Kraft_durch_Freude.de (Stand: 44. KW 2007)
url: http://www.wikipedia.org/wiki/Seebad_Prora#Lage.de (Stand: 44. KW 2007)
url: http://www.museum-prora.de/prora4.htm (Stand: 47. KW 2007)
url: http://www.wikipedia.org/wiki/Nationale_Volksarmee.de (Stand: 44. KW 2007)
url: http://www.tagesspiegel.de/politik/div/;art771,2394591 (Stand: 47. KW 2007)
url: http://images.google.de/images?hl=de&q=Robert+Ley&btnG=Bilder-  Suche&gbv=2
url: http://images.google.de/images?gbv=2&hl=de&q=Clemens+Klotz&btnG=Bilder-Suche
url: http://images.google.de/images?gbv=2&hl=de&q=R%C3%BCgenkarte&btnG=Bilder-Suche

7. Interviews

1. Tobias Bemmann, ehemaliger Bausoldat
2. A. B.,, ehemaliger Bausoldat
3. Uwe Biermann, ehemaliger Bausoldat

.........................................................................................................................................................................

Inhaltsverzeichnis

1.

2.

3.

4.
4.1.
4.2.
4.3.


5.
5.1.
5.2.
5.3.

6.

7.

8.

Jahresarbeit

_______________________________________________________________________________________________