Gedanken nach dem Lesen des Prinzen von Prora

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Gedanken nach dem Lesen des "Prinzen von Prora"

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12.6.2012
Holger Coeler       
(E-Mail-Nr.: 169)

Gedanken nach dem Lesen des  "Prinzen von Prora".
Von Holger Coeler, Bausoldat in Prora, Frühjahr 1987 bis Herbst 1988, 4. Baukompanie.
In Gedenken an Sebastian Höfer, den ich als einen sehr feinen Menschen in Erinnerung habe.
Er starb 2 Tage vor der Entlassung. Sicher nicht ganz unschuldig an seinem Tod. Dennoch auf Grund der hohen mentalen Belastung und aus Kenntnis der menschlichen Natur entschuldbar.  Damit auf diese Weise ein Opfer der vielen  unmenschlichen Systeme, die menschliche Gesellschaften so hervorzubringen pflegen.

Vor einigen Tagen las ich dern Prinzen von Prora von Stefan Wolter. Bislang der einzige Roman zu diesem Thema den ich kennenlernte. Der Autor schildert darin "authetisch", wie es der Klappentext vorschreibt, wie er diese Zeit durchlebte. Mit sehr jungen Jahren - er erlebte während dieser Zeit seinen 20 Geburtstag - wurde er eingezogen. Aus vermutlich sehr zuwendungsfrohen Hause kommend, wirkte eer beim Aufbau des Faährhafes Mukran mit und durchlebte wohl zum ersten Mal die Schattenseiten des Lebens bei der "Fahne". Gerade am Ende oft in Depressionen verfallend, holte er sich Trost bei den bei den vielen christlichern Gleichgesonnenen. Desweiteren, sozusagen als Geschichte in der Geschichte, wird zu er seinem homosexuellen "Coming Out" geführt, dabei stark gehemmt durch seine christlich protestantische Erziehung in einem thüringischen Protestantenhaushalt und den widrigen Umständen des Kasernenalltages. Mit eta 15 Jährigen Abstand führt es ihn nach der sog. Wende wieder nach Prora bzw. Mukran und es reift der Gedanke darüber diesen  Roman zu verfassen.
Den Romam las ich so schnell wie lange kein Prosastück mehr, was aber eher daran liegt, daß ich selbst ein Halbjahr später meinen Dienst als Baussoldat anttrat. An ihn selbst kann ich micht erinnern. Von den Fotos her ein zart besaiteter, etwas  naiv wirkender  Jüngling, mit edlem Antlitz und aus gutem christlichern  Hause. Durch seine Recherchen bzw. Erinnerungen wurde ich schnell zu den Schaulätzten geführt, die ich alle schnell wiedererkannte und sie im Großen und Ganzem bestätigen kann. Auch den Alltag erkannte ich schnell wieder und der Autor skizzierte Momente, die auch von mir oder von vielen andern erlebt sein  könnten, wie zum Beispiel die Schilderung des ertsen Tages. Auch ich fand seinerzeit, bis auf den an Caspar David Friedrich erinnerenden Anblick des Proraer Wiekes, wenig Trost und empfand auch zuvor die Einberufung als etwas "Unbekanntes wie den Tod".
Dennoch konnte ich mich die ganze Zeit eines gewissen Unbehagens beim Lesen nicht erwehren. Natürlich habe ich durch meine ganz und dar unterschiedliche Biographe zu vielen Punkten eine andere Haltung und deshalb fühlte ich mich gemüßigt gerade diese andere Perspektive ins Gewicht zu führen. Zudem hat die Literatur über das Bausoldatentum mittlerweile einen recht beträchtlichen Umfang genommen und würde nicht von mir behaupten, dass ich alles darüber gelesen hätte. Aber was ich bislang darüber vernahm unterscheidet sich bis auf Nuancen wenig von dem was auch der Autor über diesen Gegenstand von sich gibt. Da der Autor u.a. Geschichte studierte - und ich es gleichsam tat - erlaube ich mir mal seiner Sichtweise gewissermaßen als Kollege, die meinige zum einen als Komparativ, aber auch als Kritik, hinzu zu setzen.

Das Klischeebild in der DDR zum Baussoldaten entspricht im wesentlichen der Biographie und dem Milieu des Autos. Christlich, in der Mehrzahl protestantisch, mehr oder weniger fromm, der DDR, ihren bewaffneten Organen und ihren "Errungenschaften" befand man sich gegenüber skeptisch, wenn nicht gar feindselig eingestellt. Der soziale Umgang untereinander wurde von einem hohern Solidarisierungsethos  getragen, mit einer Zuwendung, die sich geradezu liebevoll
ausnahm - mit Kaffe und Kuchen als Begrüßung und die offenkundig den Zweck hatte, den archaisch anmutenden Wehrhaftigkeitsritualen der NVA wie z. B. der sog. E - Bewegung ostentativ etwas entgegen. zu setzten  Dieser Widerklang, zum einen die autoritär staatliche Totalität des NVA Regimes, dass ja nur ein Konzentrat der gesamten DDR Arbeiter - und Bauernstaates darstellte und dem gegenüber eine Form des Beharrungsgeistes des christlichen Restbürgertums. Sowohl der Roman als auch die wissenschaftliche Aufbereitung arbeiten mit dieser Form subtiler heroischer Legenbildung. Polemisch bietet sich geradezu das Bild des christlichen Märtyrers an. An diesem Bild ist sicher nicht alles verkehrt, stand die offizielle DDR dem Baussoldatentum und überhaupt dem Christlichen nicht grundsätzlich gerade freundlich gegenüber, aber meiner Meinung ist eine gewisse Schieflage in dieser Darstellungs unübersehrbar. Auch der Autor, immerhin Historiker, konnte  sich offenbar dieser Einseitigkeit nicht entziehen. So weit ich etwas über das Bausoldatentum las - vielleicht irre ich mich und laß mich in dieser Hinsich gern belehren - kommt man über eine gewisse Eigenbezogenheit nicht hinaus. So hatte ich noch nie zu folgenden Bezugspunkten des Baussoldatentums etwas geschrieben gesehen und würde dies - vielleicht zur  Anregung  zur Diskussion - in drei Punkten so darlegen:


1. Über das Militärische bzw. Antimilitärische an sich. Also z.B. der Vergleich mit aktiven Pazifismus in vergleichbaren Gesellschaften, wie z. B. der Bundesrepublik oder dem wohl christlichsten Staat der Welt, die USA (im Vietnamkrieg!) oder den in den anderen Ostblockstaaten

2. Damit gleichsam verbunden, den das Baussoldatentum umgebenden Kontext des Kalten Krieges.

3. Die Motive der nichtchristlichen Baussoldaten, dieser Aspekt wird zwar zuweilen, auch vom Autor, erwähnt, aber selten näher ausgeführt.


Zu Punkt 1:
In einer Fernsehsendung zum Thema Bausoldaten in der DDR wurde ich darüber informiert, dass durch einen internen Honeckererlass seit der Mtte der 1980ziger sogenannte Totalverweigerer bis auf weiteres nicht mehr verfolgt werden. Kirchliche Kreise die darüber in Kenntnis gesetzt wurden, ließen sich dazu zur Geheimhaltung verpflichten. Hätte sich dieses in breiter Weise herumgesprochen, wäre damit die NVA quasi eine Freiwilligenarmee geworden. Denn die NVA war ,sicher noch vor der Stasi, bei vielen DDR - Bürgern, vor allem Männern, die verhaßteste Organisation. Dies lag daran, daß die DDR selbst über wenig echte Legitimation in der Bevölkerung verfügte (was icher später auch eine Ursache für ihren Untergang war)und zum anderen galt  die NVA, wie es auch eine Studie belegt, dals ein Disziplinierungsinstrument vor allem für junge Männer. Viele DDR Bürger nahmen dies denn auch so auf, und wie unser "Prinz", litten doch vor allem die darunter, die aus behüteten Verhältnissen stammten. Dies bedeutete aber auch, dass der Personenkreis, der ganz bewußt die DDR mit seinem Leben verteidigen wollte, ein grundsätzlich begrenzter war und sich zudem in der Minderheit befand und auch fühlte. Auch der potentielle Feind nahmm sich wenig bedrohlich aus, den nicht für wenige hätte es ja bedeutet gegen die eigenen Verandten zu kämpfen oder gegen die eigenen Landsleute, die obendrein aus dem für viele lebenswerteren Westen stammten. So stand denn auch ein sog. DDR - Patriotismus  auf sehr ungelenken Füßen. Begünstigend für eine grundlegend pazifistische Einstellung sollte sich auch die Tatsache ausnehmen, daß, vor allem für viele in meiner Generation, die Schrecken des 2. Weltkrieges noch sehr viel unmittelbarer waren als z.B. heute. Wenn auch die DDR sich durch eine dezidiert antifaschistischer Ausrichtung definierte, auf die sie auch einen erheblichen Teil ihrer echten Autorität bezog, so glich ihre Armee zu mindestens von ihrem äußeren Erscheinungsbild zu sehr der Wehrnacht des Deutschen Reiches oder besser gesagt, so wie man sich diese vorstellte aus Film und Fernsehen.  Z.B. erfreute sich der DEFA - Film "Die Abenteuer des Werner Holt" großer Beliebtheit. Zwar war dessen Intention der Wehrmacht keineswegs freundlich gesonnen, aber aus meiner Jugend und später kann ich mich an sehr vielen Gesprächen in Bezug auf diesen Streifen erinnern, wenn man z.B. die Schilderung des Kasernenalltags mit der eigenen drohenden Lage in der NVA gleichsetzte, daß man sich bezüglich der NVA keineswegs in einem so ganz anderen Gefilde befand als in der Wehrmacht WernerHolts. Auch sollte nicht unerwähnt sein, dass via 1968, für viele Jugendliche die mit der DDR quasi befeindete USA mehr durch Jimi Hendrix, the Doors oder Dustin Hoffman repräsentiert wurden, als durch Richard Nixon oder den Klu Klux Clan. Ein sich offen zur DDR bzw. NVA bekennendes Individum hatte wedser viele Freunde, noch drücktze sich daraus Autorität aus. D. h. ein Baussoldat lebte in dieser Hinsicht nicht wie ein Asket
unter Sündigen, sondern eher im Gegenteil. Ein Baussoldat schwamm mit seiner Verweigerungsattitüde,- um es mit Maos Worten zu sprechen -bei vielen im DDR Volk wie ein Fisch im Wasser.
Noch zu einem anderem Aspekt: Meines Wissens war es in keinem Ostblockland möglich Bausoldat o.ä. zu werden. Wohl  nicht im entfernstesten, so z. B. auch nicht im Polen von Solidarnosc und durch die Ominpräsenz der Katholischen Kirche. Bislang ist mir auch nicht zu Ohren gekommen, daß es z. B. zu den Zeiten der Weltkriege in einem der kriegsbeteiligten Länder möglich war, den Dienst am Vaterland gegen wen eiufach so abzulehnen, selbst im neutralen Schweden gab es bestenfalls die Möglichkeit sich freiwillig zur (bewaffneten) Polizei zu melden. Oder über den Umgang der USA mit Pazifisten zur Zeit des Vietnamkriegss spricht das Massaker der Nationalgarde in Ohio an Friedensdemonstranten eine beredte Sprache. Und um den Faden bis heute weiterzuspinnen. Ich habe bislang keine kritsche Stimme des ehemaligen Baussodaten und CDU Mitgliedes Rainer Eppelmann über den Einsatz der NATO (u.a. mit deutschen Truppen vernommen zu den (heißen!) Kriegen in Jugoslawien, Afghanistan, Irak usw. usw.
 
Zu Punkt 2:
Sowohl die DDR als auch ihr deutscher Widerpart die BRD wurden gegründet als Quasi - Vasallen und nahmen sich denn später als Zerrbilder der Sowjets als auch der USA aus. Wer in dieser Zeit poltisch bewußt lebte, kannte die poltische Kultur nur in einer binomisch - dichotonomischen Ausrichtung: Entweder die oder wir. Ein dazwischen gab es kaum.. Ob sie wollten oder nicht, in dieser Konstellation oder besser in dieser Diskurskultur  lebte auch das Bausoldatentum. Dies gilt vor allem für die, die der Kirche nahestanden. Diese repräsentierte aus der revoltuionär und forschrittsfixierten  Perspektive der DDR - Oberen und ihrer Ideologie nicht nur das überkommende Alte (sozusagen Reaktionäre), sondern auch das kapitalistisch bürgerlich Andere aus dem Westen. So ist es sicher auch kein Wunder, daß die Kirchen in der hochkonfrontativen Periode der Systemauseinandersertung der Ulbricht kontra Adenauer  Ära deutlich mehr an Repressialien zu erleiden hatte, als in der Honecker versus Brandt - Schmidt - Kohl Ära, die zu einander einen gewissen Ausgleich suchten. Als ein Höhepunkt in unserer Kaserne nahm sich der O
- Ton aus dem DDR - Fernsehen aus, als anläßlich des Besuches von Erich Honecker in Bonn das Deutschlandlied lautstark erschallte und die DDR Hymne hingegen nur sehr leise vernommen wurde. In dieser Zeit wurde uns offiziell auch gestattet zu Hause Westfernsehen zu empfangen. (Dazu wurde extra ein Kompanieappell anberaumt).
Militärischen Vorgesetzen treten in der Darstellung (wie auch im Roman) oft nur als Zerrbilder
auf. Dies mag gute Gründe haben. Auch ich nahm es subjektiv so wahr. Auch weiß ich selbst über diese sehr wenig, dennoch lernte ich den einen oder anderen DDR Ex - Offizier kennen. Mit den Jahren und auch aus der Sicht dieser oft gescheiterten Biographien bin ich geneigt sie nun milder
zu betrachten. Dennoch! In wie wie fern sich das Motiv der  meisten von diesen Leuten ausnahm kann ich nur erahnen. Viele von ihnen standen offenkundig unter größeren inneren Stress als wir und sie mißtrauten uns mindesten so, wie wir sie. Diese  fiel mir  schon damals  auf: Die meisten waren im Prinzip eher Karrieristen als Kommunistren, manchmal beides. Vielleicht würden sie sich gewissermaßen als DDR - Patrioten betzrachten im Sinne von dessen "Errungenschaften" und der
Möglichkeit der eigenen höheren sozialen Aufstiegsmöglichkeit, gemessen an ihrer oft proletarisch -
knechtigen Herkunft.Und für viele nahm sich der Verdienst in der NVA einfach um ein Mehrfaches  als bei der LPG oder wo auch immer.
Was ich außerdem, bis auf sehr wenige Ausnahmen erlebte war das, was ich mir unter einen "echten"Soldaten so vorstellte. Echte historische Vorbilder aus der deutschen Geshichte  a la` Scharnhorst, Schill oder Staiffenberg hatten wenig reale Bezüge im DDR bzw. NVA - Alltag, so sehr sie auch die Propaganda gebrauchte. Dazu sah man bei den Allermeisten schon eine zu große Leibesfülle, warum sich  die meisten Vorgesetzten den Begriff "Sack" verdienten, viele offenkundig eher Bürokratennaturen als Militärs waren und überhaupt der offenkundig hohe Alkoholgenuss vieler Offiziere  jede milttärische Tugend ins Absurde kehrte. Dies fiel vor bei denen ins Gewicht die sich oder weniger für ihr ganzes Berufsleben der NVA verschrieben. Natürlich gab es Ausnahnen, aber bekanntlich bestätigen diese mehr eine Regel als diese zu widerlegen.

Zu Punkt 3:
Im großen und ganzen nahm sich das Bausodatentum wohl recht homogen aus. Also relativ fromm, mit oder weniger kirchlich gebunden, mit einer entsprechenden Erziehung. Und oft mit einer entsprechenden (kirchlichen) Laufbahn nach Absolvierung des Baussodatendienstes. Manchmal lernte man auch ein Mitglieg der  Blockpartei CDU kennen. In diesen Fällen von einem "Steine in den Weg legen" seitens der DDR, halte ich nicht ganz angemessen. Einen Studienplatz bekamen in der DDR auch die nichzt, die nur ihre 11/2 Jahre abrissen.
Nartürlich existierten immer wieder statistische Ausreißer aller Art, aber diese blieben lange Zeit in der Minderheit. Dies sollte sich erst im letzten Lebensjahrzehnt der DDR (dann sprunghaft) ändern. Hatten die Vorgesetzten mit der halbwegs homogenen Truppe schon ihre Schwierigkeiten, so ließ sich doch auf diese auf die eine oder andere konstruktiv reagieren. Was nun kam, der werte Essayist war einer von ihnen,  gaben nun den NVA - Verantwortlichen  eine Vielzahl von Rätseln auf, die sich wohl erst mit der Wende auflösten, dann buchstäblich mit der gesamten DDR (bzw. des gesamten Ostblocks)
Innerhalb ihrer latenten Homogenität nahm sich das christliche Bausoldatentum (von jüdischen Bausoldaten hörte ich im übrigen noch nie) durchaus differenziert aus- Ich selbst, typisch  DDR - atheistisch aufgewachsen, war sehr erstaunt über die hohe Anzahl christlicher Gemeinschaften: Methodisten, Adventisten des siebenten Tages, Baptisten, Mormonen usw, usw. Mit tat sich eine relativ unbekannte Welt auf. In dieser Hinsicht waren mir wohl die Offiziere, zumindest vom Herkunftsmilieu aus betrachtet, näher. Sicher kannte ich aus Berlin aus der Aussteiger bzw. Widerstandsszene auch Kirchenleute - durch einige wurde ich ja zum Bausoldatentum gebracht  -, aber der Lebensstil von einigen, vor allem die aus dörflichen Milieus entstammten, war mir nicht nur fremd, sondern auch höchst verwunderlich. So kann ich mich erinnern, daß mir ein Jüngling aus dem tiefsten Erzgebirge erzählte, daß die Welt genaus so alt sei, wie es in der Bibel steht. Als er mir noch versicherte, dass er einen ingeneurtechnischen Beruf zu ergreifen trachte, blieb mir glatt die Spucke weg. Überhaupt fühlte ich mich bei einigen gewiisermaßen in ein abergläubisches Mittelalter versetzt.Demgegenüber lernte ich aber auch viele kennen und schätzen, die mit einem enormen Wissen aus der bürgerlichen Philosophie und Geschichte aufwarten konnten. Aber auch viele, ich nenne sie mal fromme Spießer und von mir aus gesehen dröge Familienväter, (Damals war ich ein bekennender Jungegeselle und Hedonist und hatte gerade gegen letztere meine Ressentiments, die aber zuweilen auch berechtigt waren).
Was nun aber zunehmend das Bausodatentum bevölkerte, stellte auch nicht wenige der "üblichen" Bausoldaten vor einige Probleme. Viele von uns waren als  Hedonisten, Lebenskünstler, Freigeister oder Abenteurernaturen u.ä. gewohnt nach sehr eigenen Regeln zu leben. Dies erbrachte so auch schnell entsprechende Konfliktstoffe und so manchesmal schien sich die Front zwischen Bausoldaten und Vorgesetzten zu verschieben. Wenn ich aber auch aus der Erinnerung sagen muß, daß diese Front im großen und Ganzen hielt, aber zuweilen taten sich große Risse auf.. Oft wußten sich einige von den ganz Frommen wohl nicht anders zu helfen, als das christliche Gebot nicht zu lügen, allzu wörtlich nahmen. Dies äußette sich in einer gewissen weibischen um nicht zu sagen unsoldatischen Petzerei, die zum Glück ohne größere Folgen blieb. Wie mir von "normalen" Soldaten versichert wurde, wären Phänomene dieser Art bei ihnen in dieser Häufigkeit unmöglich. Oft hatten die Auseinandersetzungen etwas sehr psychologisches, um nicht zu sagen psychopathisches. So bildete sich einer mit einem ausgeprägten Aufmerksamkeitssyndronm ein, der Bruder von Jesus Christus zu sein. Auch kriminelle, pathologische  oder assoziale Naturen gessellten sich dazu, so kam es z.B. dazu, daß ein Bausoldat meiner Kompanie einen ihn völlig fremden, gänzlich harmlosen jungen Offizietsanwärter im Urlaubszug krankenhausreif schlug. Der Höhepunkt der Ausseinandersetzung mit den christlichen Baussoldeten war eine geplante Teufelsanbetungszremonie zur derer Provokation, die angeblich erst in letzter Sekunde von den Vorgesetzten unter Androhung schwerster Strafen (Schwedt!) vereitelt wurde.

Zurück zum Prinzen: 
Auch die meisten "Normaldienstleistenden" neigten dazu diese 1 1/2 als quasi vergeudet anzusehen, es sei denn für den einen oder anderen ergab sich ein wehrpolitischer Sinn und selbst konnten es wohl nur ausgewiesene Sadisten oder Masochisten in dieser Institution zurechtkommen. Man erlebte so viel Destruktives und Absurdes, dass einem selbst das Lachen darüber auf die Nerven fiel.
Als Bausoldat mußte man sich obendrein oft den Vorwurf der Drückebergerei gefallen lassen. Dass in sofern zu Recht, dass man sich ja tatsächlich um diesen ganzen Salat bringen wollte, die Konsequenz aber nun mal mindestens 2 Jahre DDR Gefängnis hieß. Zu Unrecht aber auch deshalb, weil die allermeisten NVA - Episoden die ich erfuhr, handelten vom mehr oder weniger sich verdrücken, abruhen, verduften usw., all die vielen Facetten der passiven Sabotage, die wohl letztendlich wesentlich wirkungsvoller (so auch zum Untergang der DDR beitrug) sind als die aktiveren Formen.. Ich denke daß daher auch die gewisse Bewunderung des Baussoldatentums herrührte (wie oft bekam ich auf Grund meiner Schulterstücke ein Bier ausgegeben), aber auch Neid und Mißgunst  trat zuweilen an die Oberfläche, da man sich relativ offen zu etwas bekannte, was sich doch der gemeine Spießer nicht getraute zuzugeben.
Zum Leben gehören nun mal auch die vielen häßlichen und destruktiven, um nicht zu sagen bösen  Aspekte und auch sie runden den Lebensschatz der Erfahrungen  ab.
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