Die Gründe ...

Welche Gründe, Erlebnisse, Prägungen haben dazu geführt, den Waffendienst zu verweigern?

In meinem christlichen Elternhaus wurde nicht vordergründig der Grundstein für diesen Entschluss gelegt.
Sicher, meine Eltern haben mir wichtige christliche Werte vermittelt. Sie haben mir allerdings nicht vorgeschrieben, wie ich mit der Einberufung zur NVA umzugehen habe. Sie haben auch nicht versucht, mich in irgendeine Richtung zu beeinflussen. Das war alleine meine Entscheidung. Ich begann, meine eigenen Wege zu gehen.
Aus diesem Grund wurde ich zunächst ganz normal gemustert und für die „Artillerie“ der NVA eingeplant.
Der DDR-Alltag selbst hat mir dann nach und nach die Augen geöffnet.
Die Betrügereien in der Wirtschaft, die täglichen Lügen in Zeitung und Fernsehen, die Bespitzelung, das Eingesperrtsein ...
Dann kam der erste Schritt aus der "sozialistischen Anonymität" heraus, in dem ich den Aufnäher "Schwerter zu Pflugscharen" trug. Mit diesem eigentlich friedlichen Symbol überschritt man damals eine Schwelle in eine Richtung, von wo es kein Zurück mehr gab. Von einem Tag auf den anderen war man ein "Staatsfeind".
In einer aufsehenerregenden Aktion wurde mir der Aufnäher in der Innenstadt von Magdeburg abgenommen. Damit beginnt auch meine Stasiakte.
Außerdem beschäftigten mich damals viele andere Fragen:
Warum sollte ich im Ernstfall auf meine sehr geschätzte Verwandtschaft im Westen schießen?
Warum hätte ich vielleicht an der Grenze auf die eigenen wehrlosen Leute schießen sollen, die einfach nur frei sein wollten?
Warum hätte ich die von mir so sehr gehasste Grenze auch noch verteidigen sollen?
Außerdem:
Was wäre denn im Kriegsfall aus Deutschland geworden?
Wären dann vielleicht sogar Atomwaffen zu Einsatz gekommen?
Welchen Sinn hätte das Leben dann noch gehabt?
All diese Erfahrungen und Fragen haben mich dann wieder zum christlichen Glauben zurück geführt.
Die Entscheidung, zu den Bausoldaten zu gehen, war gefallen.
Während der Bausoldatenzeit und vor allem danach habe ich diesen halbherzigen Schritt allerdings sehr bereut. Eine Totalverweigerung wäre ehrlicher gewesen. (dazu auch ...)

Tobias Bemmann (Bausoldat von November 1985 - April 1987)

zurueck128

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