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Ähnlich wie dieser benachbarte Block der Ruinen sah Block V bei Kriegsende aus.
Nachkriegszeit
1945-55 Die 2. Artillerie-Brigade der Roten Armee zieht ein, auch Flüchtlinge wohnen in Prora. Grundbesitzer aus Thüringen werden interniert. Ein Grabfeld mit über 50 Gräbern für Soldaten und Flüchtlinge entsteht. Prora – ein Friedhof. Wer spricht heute noch darüber?
Bau- und Nutzungsgeschichte NVA-Standort
1960-1981 Das Fallschirmjäger-Bataillon 5 wird stationiert.
1982-1990 Das Pionierbaubataillon „Mukran“ zieht ein. Es besteht aus der PiBB (Stab, eine Sicherstellungskompanie, eine technische Pionierbaukompanie, zwei Pionierbaukompanien) und der Baueinheit 2 („Führung“, vier Baukompanien mit Bausoldaten). Das Bataillon ist dem Chef „Pionierwesen“ des Ministeriums für nationale Verteidigung direkt unterstellt. Die technische Ausrüstung besteht aus 32 LKW (Typen der UdSSR und der DDR), acht Kränen ADK 12,5 t, elf Kippfahrzeugen, sechs Baggern T 174, drei Baggern UB 12, drei Radladern). Die Aufgabe besteht in der Unterstützung aller Hauptauftragnehmer für den Bau des Eisenbahnfährhafens Mukran. Ein wichtiger Schwerpunkt ist zunächst der „Wasserbau“ für die Errichtung der Fähranleger.
1982 Verweigerer der Waffe werden in Block V einbestellt. Sie werden beim Bau des Hafens Mukran eingesetzt und sind vor allem in den Anfangsjahren (Bau des Fähranlegers in Unterwasserglocken) extremen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. Es existieren bald vier Kompanien mit bis zu etwa 600 Bausoldaten. Die Dienstzeit beträgt anderthalb Jahre. Untergebracht sind die Bausoldatenkompanien in den drei oberen Etagen von Block V.
1989/90 Auflösungstendenzen in Prora. Die Bausoldaten werden im zivilen Sektor eingesetzt. Die Einheit wird 1990 aufgelöst.
Nutzung in der Bundesrepublik
1991/92 Am KDL (Kontrolldurchlass) weht die bundesdeutsche Flagge. Prora ist der Bundeswehr unterstellt. Bis Ende 1992 wird Prora als Militärstandort aufgegeben. Bildliche Darstellung ist noch immer streng untersagt.
1993/94 In Block V wohnen Asylbewerber, vor allem aus den Krisengebieten des Balkans.
Erinnerungsort „ehemaliges KdF-Bad“ mit denkmalpflegerischer Unterschutzstellung (1994)
1995 Block V steht leer, das Mobiliar ist noch fast vollständig vorhanden. Der Baustab (unter der zweiten Baukompanie gelegen) ist verwüstet. Prora ist endlich ein frei zugänglicher Ort, an dem die eigene Aufarbeitung des Erlebten möglich ist. Zahlreiche Inschriften entstehen an den Wänden, etwa: „1 ½ Jahre des Lebens wurden mir hier versaut“, „Die armen Menschen, die hier gelebt haben“ etc. Der Ort beginnt zur Pilgerstätte Betroffener zu werden, doch der Block wird mit der gesamten Anlage als NS-Anlage unter Denkmalschutz gestellt. Die bauliche Ästhetik des geplanten Bades wird über die reale Bedeutung gestellt - Herrschaftsinstrument des SED-Staates sowie eine der Keimzellen der friedlichen Revolution.
2003 Jugendevent Prora03auf dem Gelände des „KdF-Bades“ mit dem „schönen Schein des Nationalsozialismus“. Im Vorfeld erfolgt die vorsätzliche Zerstörung als Erinnerungsort zur DDR- Geschichte. Im Jahr 2000 wird der Regimentsclub (Holzoper) abgerissen. Nach und nach verschwinden die Symbole des Baubataillons in den Lichthöfen. Zäune werden abgebaut, auch das Tor zum Gelände verschwindet.
2005 Seit dem Frühjahr existieren Pläne des Landkreises Rügen, den Block zwecks einer dauerhaften Jugendherberge zum Zweck der Sicherung weiterer „Events“ im nun ausschließlich sogenannten KdF-Bad zu erwerben. Neuerscheinung: Hinterm Horizont allein – Der „Prinz von Prora“
2006 Im Juli findet das „Jugendevent Prora 06“ statt – mit der Präsentation des Buches „Der Prinz von Prora“. Im September erwirbt der Landkreis Rügen den Block vom Bund zum symbolischen Kaufpreis von einem Euro. Der Kampf um die doppelte Vergangenheit beginnt. Stefan Wolter ist die einzige kritische Stimme und wird dafür später ausgeschaltet werden (s. u.).
Vom Kampf um die doppelte Vergangenheit NS/DDR-Geschichte
1. Die Phase der Ignoranz:
2007 Im Gelände vor Block V entsteht ein Zeltplatz des DJH. Die Überreste der Tribüne werden zurückgebaut, aus dem Boden zahlreiche Altlasten geborgen. Sie verzögern die Einweihung des Zeltplatzes um fast zwei Monate, werden aber nirgendwo dokumentiert. Über den Schwarz- und den ehemaligen Hubschrauberlandeplatz Erich Honeckers hinaus erstrecken sich feine Rasenflächen mit Stellplätzen für Zelte. Die ehemalige Turnhalle wird zur modernen Mehrzweckhalle umgebaut, das Wachhäuschen am ehemaligen KDL mit einer freundlichen Holzverkleidung unkenntlich gemacht. Nirgendwo gibt es auch nur einen einzigen offiziellen Hinweis auf die Nutzungsgeschichte des Geländes. Viele ehemalige Bausoldaten nutzen die Möglichkeit, noch einmal ihre Zimmer aufzusuchen. Zahlreiche neue Inschriften entstehen. Zum Teil erinnern sie an eine Kontaktbörse. Bemühung um einen ehemaligen Klubraum mit einer an die Wand gemalten Rügenkarte und beginnende Ächtung des Initiators seitens der vor Ort Verantwortlichen. Im Sommer entsteht ein Text im Virtuellen Museum Proraer Bausoldaten. Neuerscheinung: „Der ‚Prinz von Prora’ im Spiegel der Kritik“. Das Trauma NVA und Wir. Virtuelles Museum Proraer Bausoldaten (T.Bemmann)
2008 Im Frühjahr siedelt PRORA-ZENTRUM vom Zentrum der Anlage Block III ins Gelände Block V um und vermittelt dort die KdF-Planungs- und frühe Nachkriegsgeschichte mit der Dauerausstellung „Prora-mehr als nur ein schöner Strand 1933-1946“. Im Herbst Gründung des gemeinnützigen Denk-MAL-Prora e.V. wegen der jahrelangen Ignoranz der DDR-Geschichte und ihrer Zeugen mit dem Ziel der Errichtung einer Bildungsstätte in Block V rund um den vor der Zerstörung bewahrten Klubraum.
2. Die Phase der halbherzigen Institutionalisierung der Erinnerungsarbeit, mithilfe massiver Unterstützung des Landkreises (Landrätin = Vorsitzende des PRORA- ZENTRUM) und des Landes (u.a. Landesfachstelle für Gedenkstättenarbeit = Mitglied im PRORA-ZENTRUM).
2009 Denk-MAL-Prora betreibt die alleinige Aufklärungsarbeit zur „doppelten Vergangenheit“ (NS/DDR-Zeit) auf dem Gelände mittels einer kostenlosen Broschüre und einer sechswöchigen Ausstellung in der ehemaligen Turnhalle. In Mukran lässt er einen der letzten Wachtürme in MV unter Denkmalschutz stellen. Auch in der ehemaligen Kaserne stellt das Landesamt für Kultur und Denkmalschutz (Schwerin) Denkmalwert für etliche Hinterlassenschaften fest. Trotz dieses Gutachtens hebt die der Landrätin unterstellte Untere Denkmalbehörde den Bescheid auf (Kerstin Kassner = Vorsitzende des Prora-Zentrums).
PRORA-ZENTRUM erklärt sich dazu, die Geschichte der Bausoldaten aufzuarbeiten und erhält hinter unserem Rücken, vermittelt durch die Ministerien, 130.000 Euro zum Ausbau der historisch-politischen Bildungsarbeit. Im September Grundsteinlegung für die Jugendherberge. PRORA-ZENTRUM stellt sein Bildungskonzept vor, Denk-MAL-Prora wird nicht geladen. Im Dezember beginnen die Abbrucharbeiten trotz nicht geklärter Widersprüche in den Gutachten der Denkmalbehörden. Dokumentationstätigkeiten in der Kaserne wurden nicht gestattet. Neuerscheinung: „Der Prinz und das Proradies“. Vom Kampf gegen das kollektive Verdrängen. Internetseite Denk-MAL-Prora
3. Die Phase des Blendens der Bildungsarbeit und des Kampfes gegen Denk-MAL-Prora e.V.
2010 Obgleich ein von uns seit Jahren geforderter runder Tisch mit allen Initiativen zur Voraussetzung für die Entwicklung eines Bildungszentrums gehört, wird ein solches ohne dieses Gespräch ausgeschrieben. Das gesamte Verfahren erfolgt trotz aller Mahnungen überstürzt, obgleich sich der Baubeginn noch zwei Jahre später nicht abzeichnet. Die sagenhafte Dauerausstellung des Prora-Zentrum wird lediglich seitens der Mitteldeutschen Zeitung kritisiert – Das Monsterhaus macht Staat.
Der von allen Instanzen bekämpfte Denk-MAL-Prora wird mehrfach darüber aufgeklärt, dass PRORA-ZENTRUM die Instanz sei, die auf dem Platz das Sagen habe. Daher: Auflösung des nur von wenigen Zeitzeugen unterstützten Denk-MAL-Prora.
Mühsame Auseinandersetzungen um eine Erinnerungstafel für die Bausoldaten. Ihre Anbringung gilt allen Beteiligten als Neubewertung des Ortes = doppelte Vergangenheit. Endlich werden gemeinsame Projekte von Mitgliedern des aufgelösten Denk-MAL-Prora und Mitgliedern des Prora-Zentrums bis hin in die Ministerien (deren Zögling Prora-Zentrum ist) in Aussicht gestellt.
4. Die Phase des Blendens der Bildungsarbeit und des Kampfes gegen den Initiator des Denk-MAL-Prora e.V.
Im Frühjahr dreht sich das Rad zurück. Während der Initiator von Denk-MAL-Prora in anhaltender Ächtung vom Fachbeirat des PRORA-ZENTRUMs ausgeschlossen (und im Nachhinein obendrein verleumdet wird, er könne oder wolle sich nicht an der Arbeit vor Ort beteiligen), bestreitet Schwerin die erfolgte Neubewertung des Ortes (vgl. Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP). Auch in der Broschüre zur Bausoldatentagung steht von offizieller Seite nichts über die Erfolge des Denk-MAL-Prora hinsichtlich der „doppelten Vergangenheit“ geschrieben. Mit erneuter massiver Unterstützung des Bildungsministeriums wird PRORA-ZENTRUM als alleiniger kompetenter Gestalter der Bildungsarbeit in Szene gesetzt – mittels einer Bausoldatentagung und als Herausgeber der Broschüre „Waffenverweigerer in Uniform“. PRORA- ZENTRUM erhält auf bequemste Weise wesentliche Aufarbeitungen seitens der Zeitzeugen. Während sich die „IG der Wehr- und Waffenverweigerer“ ins Netzwerk der Verschleppens einbinden lässt, scheitert der aus der Bildungsarbeit vor Ort ausgegliederte und in Verruf gebrachte Initiator des Denk-MAL-Prora mit dem Ziel, eine INITIATIVE zugunsten des Bildungszentrums von außen zu mobilisieren.
4. Juli 2011: Eröffnung der „Kraft-durch-Freude-Jugendherberge im Rügener NS-Bau“ (Zitat ZDF), wiederum unter weitgehender medialer Ausschaltung all unserer Bemühungen und Erfolge (vgl. Analyse im Buch: „Asche aufs Haupt!“) In einer riesigen Medienkampagne wird die Erinnerungstafel 2 sec. um Mitternacht gezeigt; weder die Ausstellung „Graben für den Frieden“ noch der Tagungsband spielen eine Rolle. Neuerscheinung Schriftenreihe Denk-MAL-Prora Bd. 1 und 2.
Das Ergebnis: Begleitet von zahlreichen Hinhaltemanöver und Taktierereien kam die Jugendherberge Prora ohne den schützenswerten Klubraum zustande. Unsere Idee des Bildungszentrum wurde zwar aufgegriffen, jedoch aus dem Geschehen der Jugend ausgelagert und wird bis heute (5 Jahre später) verschleppt und ausgesessen. Längst hätten wir den Raum, dessen Geschichte inzwischen gründlich erforscht ist, saniert und angemessene Bildungsarbeit geleistet - hätte man uns nicht verhindert!
PRORA-ZENTRUM wird in seiner Rolle als alleiniger Bildungsträger von einem weiten Netzwerk, zu dem bedauerlicherweise inzwischen auch die „IG Wehr- und Waffenverweigerung“ gehört, nicht infrage gestellt. Währenddessen dümpelt der Klubraum, auf den PRORA-ZENTRUM nie gesteigerten Wert gelegt hat schlimmer hin als vor fünf Jahren.
Die Kraft ist verpufft: Gutwillige Kräfte im Sinne der Aufarbeitung und Bildung wurden zerstört, und einig im Hinhaltemanöver werden die Verantwortlichkeiten zwischen Land, Landkreis, und dem DJH hin- und hergeschoben – zur Freude oder im Auftrag (?) der Tourismusindustrie und all jener die an der Geschichtsvergessenheit ein Interesse haben: Herbergsvater Dennis Brosseit empfiehlt auf Facebook Ausstellungen in Stralsund, nicht etwa die Wanderausstellung zu den Bausoldaten nebenan und PRORA-ZENTRUM stellt bei seinen Aktionstagen die Monumentalarchitektur in den Vordergrund (FILM: Die Urlaubsmaschine).
Man dreht sich im Kreis wie auf einem Karussell, währenddessen der Bau immer teurer wird. Das Buch „Asche aufs Haupt“ (2012) findet dazu klare Worte. Die Initiative Denk-MAL-Prora stellt ihre Arbeit nun ein und überlässt anderen das Feld der Auseinandersetzung.
Der Initiator ist ausgeschaltet, aber noch immer nicht zersetzt. Er gestattet sich, darauf hinzuweisen, dass ein Erinnerungs- und Gedenkort zur DDR-Geschichte in Prora trotz aller Lippenbekenntnisse weithin unerwünscht bleibt – derselbe unvermindert eingefordert werden müsste, von allen, die daran ein Interesse haben (sollten). Neuerscheinung Schriftenreihe Denk-MAL-Prora Bd. 3
Sollte die Kraft der Zeitzeugen tatsächlich nicht ausreichen, dann hätte die aufs KdF-Bad und den puren Hedonismus fixierte Erinnerungskultur in MV gesiegt.
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